Full text: Lehrbuch des deutschen Civilprozessrechts ([Hauptbd.])

Trennung und Zusammendrängung des Verf.: Reihenfolgebehandlung. 295 
selben müssen sich nach und nach in irgendwelcher Aufeinander 
folge entwickeln. 
Das Natürlichste und Nächstliegende ist hier, die Aneinander 
reihung und Verknüpfung der Prozefshandlungen der freien Wahl 
und dem praktischen Ermessen der Prozefsbeteiligten zu über 
lassen, es also durchaus von dem Prozefsbetrieb der Parteien oder 
des Gerichts abhängig zu machen, ob sich sämtliche Prüfungs 
thätigkeiten zunächst auf die eine Thatsache oder den einen That 
bestand, dann auf die andern erstrecken soll, oder ob zunächst die 
Verhandlung (Behauptung und Gegenerklärung) der Parteien das 
gesamte Thatsachenmaterial ergreifen und es dann erst zu allen 
Beweisantretungen und hierauf zu allen Beweiserhebungen kommen 
soll, oder ob im letzteren Fall wiederum zunächst ein Streitpunkt 
ausgeschaltet werden soll u. s. w. Aus solcher Behandlung aber, 
die alles von der zufälligen Fügung des Augenblicks, von der 
Gestaltung der prozessualen Erörterung u. s. w. abhängig macht, 
kann unter Umständen eine doppelte Gefahr erwachsen: 
a) Einmal entsteht die Gefahr der Prozefsverwirrung, 
weil nur zu leicht die mehreren Operationen bei Prüfung eines 
Streitpunkts oder gar die Prüfungen mehrerer Streitpunkte sich 
störend beeinflussen und durchkreuzen, weil z. B. die Parteien 
während der Beweisaufnahme die Verhandlung wieder beginnen 
und so die Unbefangenheit des Zeugen beeinträchtigen, weil die 
Hereinziehung aller möglichen Streitpunkte in der ersten Ver 
handlung dem Gericht den freien Einblick in den Sachverhalt er 
schwert, — so besonders wenn die Parteien untereinander oder 
mit dem Gericht über die Gangbarkeit des einzuschlagenden Wegs 
uneins sind. Deshalb kann das Bedürfnis entstehen, dals durch 
bindende Mafsnahmen eine äufsere Trennung der Prozels 
thätigkeiten herbeigeführt werde und zwar vor allem: 
1. eine Trennung der einzelnen Prüfungsthätigkeiten 
untereinander, soweit sie die mehreren Thatsachen desselben Streit 
punkts (s. oben) betreffen, also in der Weise, dafs es erst nach den 
Parteibehauptungen in gesondertem Prozefsstadium zur Gegener 
klärung, erst dann zur Beweisantretung, dann zur Beweisaufnahme 
kommt; 
2. eine Trennung der Prüfung verschiedener Streit 
punkte voneinander, so dafs erst die Klagthatsachen, dann die 
Einreden, oder erst die Prozefsvoraussetzungen, dann die Rechts 
schutzbedingungen und hierauf getrennt die Beweiseinreden 
(s. oben) der Verhandlung, Beweisantretung, Beweisaufnahme 
unterworfen werden. 
Eine solche Trennung nennt man im allgemeinen eine 
Reihenfolgebehandlung. Sie stellt eine bewufste Zweck 
mässigkeitsmafsregel dar, die der Beförderung der Gründlich 
keit und Klarheit und damit weiterhin der Gerechtigkeit des 
Civilprozesses dient, und kann im einzelnen Fall durch richter 
lichen Prozefsleitungsakt oder allgemein durch Gesetz erfolgen.
	        
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