226 II. Civilgerichtsverfassung.. § 46. Parteidisposition über die Zust.
kommenden Interessen Rechnung tragen können. Mehr als irgend
wo muss deshalb für diesen Teil der Prozefsordnung die Notwendig
keit anerkannt werden, dass bis zu einem gewissen Grade eine
Ergänzung durch den Willen der interessierten Parteien ermöglicht
werde, dafs mit anderen Worten durch dispositiven Rechtssatz
(oben S. 102) der Partei gestattet werde, die nicht berechenbaren
Varietäten der konkreten Lebensgestaltungen zu Gehör zu bringen
und durch Dispositionsakt den Geschäftskreis einer Behörde auch
in anderer Richtung zu erstrecken, als er durch die subsidiäre
gesetzliche Norm erstreckt wird.
Nur bleibt gerade hier zu bedenken, dafs eine solche vom
Parteiinteresse geleitete private Willensverfügung über die Gestal
tung der Rechtspflegeordnung, auch wo sie statthaft ist, niemals
selbstverständlich als Ausflufs einer allgemeinen Fähigkeit der
Parteien, die „Prozefsordnung abzuändern besteht, sondern dals sie
ihrerseits stets einen ermächtigenden Rechtssatz des
Prozefsrechts voraussetzt (oben S. 102). Sie ist ihrem Wesen nach
Ausnahmeerscheinung. Infolgedessen ist sie auch auf dem Ge
biete der Zuständigkeitsordnung nur insoweit anzuerkennen, als
das Gesetz sie ausdrücklich autorisiert. Dies ist für
die Auslegung der C.P.O in verschiedener Hinsicht bedeutsam.
Die prinzipiell in Betracht kommende, hiernach auszulegende Be
stimmung ist § 38 der C.P.O.: „Ein an sich unzuständiges Ge
richt erster Instanz wird durch ausdrückliche oder still
schweigende Vereinbarung der Parteien zuständig.
II. (Zwingende Natur der gesetzlichen Funk
tionenverteilung.) Vermöge des soeben betonten Auslegungs
grundsatzes ergiebt sich aus § 38 in erster Linie, dass die Partei
disposition nur auf die Kompetenz der Gerichte (d. h. nach dem
Sprachgebrauch des Gesetzes der Gerichts im engeren Sinne, der
richterlichen Behörden) und zwar auch hier nur auf die Kompetenz
der erstinstanzlichen Gerichte einwirken kann. Es folgt:
a) Durch Parteiwillen wird keine Verschiebung der prozessualen
Verrichtungen zwischen Gericht, Gerichtsschreiber und Gerichts
vollzieher gerechtfertigt. Der Gerichtsschreiber darf keinen Sühne
versuch abhalten — der als Gerichtsschreiber fungierende Re
ferendar kein Urteil erlassen! —, umgekehrt der beisitzende Richter
nicht beurkundend (etwa durch Aufzeichnung und Unterzeich
nung des Zeugenprotokolls neben dem Vorsitzenden) auftreten.
b) Durch Parteiwillen wird keine Verschiebung der Verrichtungen
von Gerichten verschiedenen Rangs statthaft, keine „Durch
brechung des Instanzenzugs“. Keine Sache darf durch
Parteivereinbarung in erster Instanz ans Oberlandesgericht oder
Reichsgericht gebracht werden?.
1 Etwa unter Umgehung der den Referendar von der Urteilsbefugnis ausschlielsen
den landesrechtlichen Vorschriften (oben S. 170)
2 Nur eine Amtsgerichtssache darf ans Landgericht gebracht werden, obwohl dies