182, II. Civilgerichtsverfassung. § 40. Thätigkeit der Kollegialgerichte.
bei der grossen Fülle von Handlungen, durch welche das Gericht
dazu beiträgt, das Ingangkommen und den Fortgang des Prozesses
in nicht bindender Weise anzuregen und die sich unter dem Namen
des Prozefsbetriebs zusammenfassen lassen, wie insbesondere
der Eröffnung und Leitung der Verhandlung (§ 127, 1), der Wort
erteilung an Parteien und Parteivertreter (§ 127, 2), der Frage
stellung an Parteien, Zeugen, Sachverständige (§ 130, 463, 360,
361 etc.), der Schliefsung der Verhandlung, der Verkündung ge
wisser Entscheidungen (§ 127, 4. 5. 6; 282) u. s. w. Dieses Handeln
des Vorsitzenden für das Kollegium ist allerdings wieder je nachdem
ein mehr oder weniger unbeschränktes. Denn in der mündlichen
Verhandlung vor vollbesetztem Gerichte steht er unter der Über
wachung des Kollegiums, dessen Mitglieder seine „Anordnungen“.
oder „Fragestellungen“ beanstanden können (§ 131), sowie auch ent
sprechende Einwendungen gegen seinen Beratungs-, Abstimmungs
modus erhoben werden können (G.V.G. § 196); — aufserhalb der
Hauptverhandlung handelt er im Zweifel gänzlich unbeschränkt
und auf eigene Verantwortlichkeit (§ 193, 204, 664 u. ö.). Aber
immerhin gilt in allen diesen Fällen seine Willensentschliefsung
als die des Kollegiums und das letztere tritt erst dann in Aktion,
wenn infolge der Beanstandung eines Mitglieds, bezw. der Ein
wendung einer Partei eine Entscheidung des Gerichts über die
Notwendigkeit oder Zulässigkeit einer solchen Prozelsbetriebs
handlung etc. erforderlich wird (über diese Vorentscheidungen
s. unten § 56).
Die Rechtsnatur des Vorsitzenden läfst sich hiernach nicht mit einem Begriffe
bezeichnen, — er ist bald nur gleichberechtigtes Mitglied (II a. E.), bald Organ
des Gerichts und auch dies bald als innerlich treibende (III, 1), bald als äulser
lich und selbständig handelnde Willenskraft (III, 2) —, nur ist zu beachten,
dafs er nicht als dienstlicher Vorgesetzter des Gerichts funktioniert,
dafs also dessen Mitglieder nie durch seinen Willen in ihren eignen Hand
lungen bestimmt, angewiesen werden können. Der Vorsitzende der Kammer,
des Senats (der Rechtspflegebehörde im Sinn des prozessualen Handelns)
darf nicht mit dem Präsidenten des Landgerichts, Oberlandesgerichts (der
Gerichtsanstalt im staatsrechtlichen, administrativen Sinn), verwechselt
werden. Letzterer ist nicht Organ des Gerichts, sondern Unterorgan des Justiz
ministers (über seine Funktionen s. oben S. 173 ff). Nur der Gerichtspräsident
übt deshalb (eventuell mit dem Präsidium) die Disziplin; die Vorsitzenden der
Kollegien geben ihm nur eventuell für diese Zwecke dienstliche Auskunft.
Ganz vereinzelt liegt eine anweisende Vorgesetztenthätigkeit des Vorsitzenden
in der ihm zufallenden Verteilung der Geschäfte innerhalb der Kammer,
z. B. in der Bestellung eines Referenten für eine bestimmte Prozelssache
(G.V.G. § 68).
b) Auf Grund eines besonderen Willensakts des Gerichts kann
auch ein beliebiges Mitglied des Kollegiums als Organ desselben
funktionieren. Hinsichtlich derjenigen Verrichtungen, die kraft
Gesetzes der Vorsitzende zu erfüllen hat (oben lit. a), ist dies
allerdings nur ausnahmsweise, z. B. hinsichtlich der Stellung
einzelner Fragen an Zeugen etc., möglich (§ 361, 3)1. Dagegen
1 Soweit das Gesetz solches nicht gestattet, ist es nicht möglich. (Hierfür die Ent-