II. Civilgerichtsverfassung. § 39. Gerichtliche Beamte.
170
des jeweiligen Bundesstaats vorschreiben1. Ausschliefslich vom Einzel
staat wird der Modus der ersten Prüfung geregelt (der Umfang derselben, die
prüfenden Personen2, die dadurch erlangten Prädikate 3)
Entsprechend kann auch der mindestens dreijährige Zeitraum des Vor
bereitungsdienstes zwischen der ersten und zweiten Prüfung vom Einzelstaat
verlängert werden (§ 2, 4)4. Er mufs jedenfalls eine Lehrzeit bei Ge
richten und Rechtsanwälten umfassen, kann (nach Reichsrecht) auch
teilweise bei der Staatsanwaltschaft (§ 2, 3) und (wenn es das Landesrecht
gestattet) auch teilweise (bis zu einem Jahre) bei den Verwaltungsbehörden
zugebracht werden (§ 2, 4)5. D.e Prüfung regelt auch hier das Landes
recht“, ebenso die Prädizierung nach bestandner Prüfung. Hierzu bestimmt
hinsichtlich der Wirkung der Vorbereitungszeit der § 5 ein Doppeltes:
1, dafs der Kandidat innerhalb des Bundesstaats, in dessen
Justizverwaltung er die Qualifikation erlangt hat, jedes Richteramt erlangen
kann, also auch sofort ein solches an einer Gerichtsanstalt höheren Ranges
(z. B. Oberlandesgericht): eine bestimmte Reihenfolge der Amter braucht nicht
eingehalten zu werden;
2, dafs der Kandidat, der in einem Bundesstaat die Qualifikation er
langt hat, in jedem andern Bundesstaat und im Reich jedes beliebige
Richteramt erlangen kann: in einem andern Staat braucht die Prüfung nicht
wiederholt zu werden (ein Prinzip, das durch die Modalitäten der Anstellung
u. II bedeutend abgeschwächt wird).
Die von § 5 vorbehaltne „Ausnahme“ (§ 127, 2: zum Mitglied des Reichs
gerichts kann nur der zum Richteramt qualifizierte ernannt werden, der das
35. Lebensjahr vollendet hat) ist keine eigentliche Ausnahme, weder von 1.
noch von 2., sondern nur Aufstellung einer neuen weiteren Qualifikations
bedingung
Gerade der Zweck des praktischen Vorbereitungsdienstes bringt es mit
sich, dafs auch Personen, die noch nicht die volle Qualifikation zum Richter
amt erworben haben, sondern sie erst erwerben wollen, mit richterlichen
Funktionen betraut werden müssen. Es ist ferner erklärlich und naheliegend,
dafs der Staat solche Personen im Vorbereitungsdienst zugleich verwendet,
um aushilfsweise oder in Stellvertretung den eigentlichen richterlichen Be
amten einen Teil ihrer Arbeit abzunehmen. Deshalb wird den Landesgesetzen
freigelassen, auch einen noch nicht Qualifizierten „zur zeitweiligen Wahr
nehmung richterlicher Geschäfte“ zu befähigen (§ 10). Die Landesgesetze
haben hiervon sämtlich Gebrauch gemacht. Preufsen (A.G. § 2) gestattet die
Beauftragung von Referendaren nach 2jähriger Vorbereitung mit Geschäften
bei den Amtsgerichten (aufser der Urteilsfällung) im Bedürfnisfall, ebenso
Sachsen auch vor Ablauf der zwei ersten Jahre (A.G. G.V.G. § 21). Baden
1 Rechtswidrig deshalb das indirekte Zwangsmittel der preufs. Verf. v. 1890, § 1
(Zulassung zur Prüfung nur im Bezirk der Universität, wo der Kandidat mindestens
2 Semester studiert hat), bezw. im Bezirk des Oberlandesgerichts, wo er beschäftigt
werden soll.
2 In Preufsen Prüfungskommissionen von 4 Mitgliedern bei den Oberlandesgerichten,
vorwiegend aus Richtern und 2 Universitätslehrern bestehend; in Sachsen Kommission
von 5 Mitgliedern (Prolessoren der Leipziger Juristenfakultät und einem aufserordent
lichen Kommissar), niedergesetzt vom Kultusministerium; in Bayern Komm. an den Uni
versitäten, bestehend aus Professoren unter Vorsitz eines höhern Beamten; in Hessen
Komm., bestehend aus den Professoren der Giefsner Fakultät (Verordn. vom 7. Juli 1891);
in Baden Kommission des Justizministeriums unter Mitwirkung von Kommissaren des
Ministeriums des Innern (§ 3).
8 Der mit Erfolg Geprüfte heifst Referendar in Preufsen, Sachsen (Verordnung vom
17. Sept. 1879, § 9), Rechtspraktikant in Baden, Bayern (Verordn. 1893, § 21), Würtemberg.
4 Dauer des Vorbereitungsdienstes 4 Jahre in Preufsen (A.G. 78, § 1), Sachsen (Ver
ordnung vom 17, Sept. 1879, § 3); 3 Jahre in Baden (Verordn. von 1894, § 2), Bayern (Ver
ordnung vom 12. Juli 1893, § 191. Würtemberg (s. o. S. 169 Anm. 1.
Vorb, bei den Verwaltungsbehörden gestattet von Baden, § 8, Verordn. von 1894;
Bayern Verordn. 1893, § 20; Sachsen Verordn. vom 17. September 1879, § 4. Möglich
dafs ein Bundesstaat auch eine Vorbereitung bei den Notaren zuläfst (Baden § 8); diese
sind Gehilfen der Gerichte im Gebiet der freiwilligen Gerichtsbarkeit (oben S. 133).
Bayern; Komm. von Justiz- u. Verwaltungsbeamten an den Sitzen der Kreis
regierung (Verordn. 1893 §§ z7. 31); Sachsen, Baden: das Justizministerium (Verordn. 1894,
§§ 11—14).