Die entscheidenden Organe.
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Bezirk einer grösseren Handelsstadt selbst) gebildet werden (§ 100, 1). In
beiden Fällen können sie ihren Sitz innerhalb des Landgerichtsbezirks auch
an Orten haben, an denen das Landgericht seinen Sitz nicht hat (insbesondre
am Sitz eines Amtsgerichts des Landgerichtssprengels), als sog. detachierte
Kammer für Handelssachen; in solchen Fällen kann auch ein Amtsrichter
Vorsitzender sein (§ 110)1.
Die Mitglieder der Kammer für Handelssachen haben ebenso gleiches
Stimmrecht wie die der Civilkammer (§ 109, 2). Nur in Streitigkeiten über
das Rechtsverhältnis zwischen Rheder oder Schiffer einerseits und der Schiffs
mannschaft andrerseits kann der Vorsitzende allein entscheiden (§ 109, 3).
b) Die nachprüfenden Gerichte sind sämtlich kollegialisch
gestaltet. Die zweitinstanzlich nachprüfenden sind:
1. für die Entscheidungen der Amtsrichter (a) die bei den
Landgerichten gebildeten Berufungs- und Beschwerde
kammern von drei Beamtenrichtern (§ 59, 71, 77).
2. für die Entscheidungen der Landgerichtskammern erster
Instanz die bei den Oberlandesgerichten gebildeten Civil
senate, bestehend aus einem Senatspräsidenten und vier Mit
gliedern (§ 120, 124), sämtlich rechtsgelehrten Beamtenrichtern.
c) Drittinstanzlich nachprüfende Gerichte sind nur für die
erstinstänzlichen Entscheidungen der Landgerichtskammern organi
siert. Dieselben sind die beim Reichsgericht in Leipzig ge
bildeten Civilsenate, die aus einem Vorsitzenden und sechs (be
amteten) Beisitzern, zusammengesetzt werden (§ 132, 140. R.Ges.
über d. Sitz des R-G. v. 11. April 1877).
Dieses drittinstanzliche Organ wird in eigenartiger Form beeinflufst im
Fall der Notwendigkelt einer Plenarentscheidung2.
Ein Civilsenat mufs
eine solche einholen:
a) schon nach der ursprünglichen Fassung G.V.G. § 137 von den ver
einigten Civilsenaten, wenn er in einer Rechtsfrage von der Entschei
dung eines andern C.S. oder der vereinigten Civilsenate abweichen
will, also nicht, wenn er seine eigne bisher befolgte Praxis durchbrechen
will (Beispiel für letzteres R.G. II Civ.-Sen. 3, 414 vgl. m. 27, 393; u. S. 219 A. 1.
ß) nach der Novelle zum G.V.G. vom 17. März 1886 (neue Fassung § 137)
von dem Plenum des Reichsgerichts, d. h. von den vereinigten Civil- und
Strafsenaten, wenn der C.S. in einer Rechtsfrage von der Entscheidung
eines Strafsenats oder der vereinigten Strafsenate oder des Plenums abweichen
will, dies in Fällen, wo dieselben Rechtsfragen sowohl die Entscheidung von
Civilprozessen wie die von Strafprozessen massgebend bedingen 34
1 In der Praxis hat sich dies — bei der Freiheit, die den Landesjustizverwaltungen
gelassen worden — sehr verschieden gestaltet. Nur in wenigen Oberlandesgerichts
bezirken sind Kammern für Handelssachen für alle Landgerichte des Bezirks bestellt
(Bamberg, Braunschweig, Darmstadt, Hamburg); ebenfalls nur in wenigen fehlen sie ganz
(Oldenburg, Rostock); meist bestehen für mehr oder minder grosse Teile des Bezirks
solche Kammern und hier wieder für ganze Landgerichtsbezirke oder für Teile von Land
gerichtsbezirken. Im ganzen sind von den Gerichtseingesessenen des Deutschen Reichs
ca. die Hälfte (46,8%) auch Kammern für Handelssachen unterstellt. (Justizstatistik VII
bis 1. Januar 1895, 14.
2 Hierzu Schultzenstein, Einheit der Rechtsprechung. Z. 18, 88 (1943)
§ Z. B die Frage, ob die Anfertigung von Lederscheiben, welche innerhalb eines
mechanisch bewegten Musikinstruments (Ariston etc.) eine bestimmte Tonfolge und so die
Melodie auslöst, Nachdruck eines Musikwerks, — ob die Herstellung eines Parfums nach
bestimmtem Rezept Patentverletzung ist.
* Dals die Rechtsfrage auf die anstofsgebende Vorentscheidung einen massgebenden
Einflufs geübt hat, ist stets Voraussetzung für die Pflicht zur Einholung der Plenar
entscheidung. Ehemalige beiläufige Bemerkungen verpflichten hierzu nicht (R.G. V.
25. Sept. 1890, 26, 431).
Richard Schmidt, Lehrbuch des Civilprozefsrechts.