Full text: Lehrbuch des deutschen Civilprozessrechts ([Hauptbd.])

148 I. Quellen. § 30. Kennzeichen des Civilprozesses: Parteien. 
die der vermögensrechtlichen Gesellschaften nur für Prozesse über 
Vermögensrechte. 
b) Aber die regelmässige Gestaltung schliefst nicht aus, dals 
das positive Recht auch solche Vermögenssubjekte für den Prozels 
als Rechtssubjekte, also als selbständig parteifähige Personen 
anerkennt, die für den Privatrechtsverkehr als rechtsfähige 
Personen nicht anerkannt sind. Die Praxis hat dies, gestützt 
auf partikuläres Gesetzes- oder Gewohnheitsrecht, in vielen Terri 
torien, besonders für das bisherige Gebiet des gemeinen und des 
preufsischen Rechts, schon jetzt ausgesprochen, und zwar besonders 
für die Vereine zu gemeinnützigen, ästhetischen, Vergnügungs 
zwecken etc., die nach Civilrecht regelmässig nicht juristische 
Personen sind. Allerdings fehlt dieser Behandlung die rechtliche 
Grundlage, denn das Vorhandensein oder Nichtvorhandensein der 
Parteifähigkeit ist (s. oben) eine rein prozefsrechtliche Frage, auf 
die nach dem Prinzip des E.G. § 14 das Landesrecht keinen Einfluls 
üben kann. Wohl aber offenbart sich in jener Rechtsübung ein 
praktisches Bedürfnis, das in der That neuerdings durch Akt der 
Reichsgesetzgebung in dem neu zuzufügenden § 49 a Abs. 2 C.P.O. 
Befriedigung finden soll, wonach „Vereine, die nicht rechtsfähig 
sind, verklagt werden“ können, „wie wenn sie rechtsfähig wären“ 1. 
Nimmt man aber einmal diesen Standpunkt ein, so besteht kein 
Bedenken, dieselbe Bedeutung auch gewissen reichsrechtlichen Vor 
schriften beizulegen, welche einzelnen Gesellschaften, besonders 
der offenen Handelsgesellschaft, trotz des Mangels privat 
rechtlicher Persönlichkeit die Fähigkeit zuspricht, auf eigenen 
Namen (unter der Firma) und mit prozessualen Wirkungen nur 
für das Gesellschaftsvermögen zu klagen und verklagt zu werden 
(H.G.B. Art. 111). 
Die Bedeutung dieser Vorschriften ist bestritten. Vereinzelt wird an 
genommen, dafs in ihnen nur die Anerkennung einer „blofs formellen 
(richtiger: unechten) Parteifähigkeit enthalten sei (Wach)2, d. h. der Mög 
lichkeit, die mehreren Gesellschafter ohne individuelle Bezeichnung unter 
einem Sammelnamen klagen zu lassen oder zu verklagen, dafs aber materiell 
nichtsdestoweniger die socii als Einzelpersonen Partei seien. Infolgedessen 
werde das Urteil auf den Namen der socii gestellt und übe für und gegen 
diese sowohl die Feststellungs- wie die Vollstreckungswirkung, insbesondere 
sei das verurteilende Urteil sofort auch in das Privatvermögen der soch 
vollstreckbar (Verfahren unten § 134). Die Praxis (R.O.H.G. 6, 417. 20, 181. 
R.G. 5, 70. 13, 96) hat jedoch ständig die Parteifähigkeit der offnen Handels 
gesellchaft als eine echte behandelt. Sie wird als solche klagbar und verklagt, 
das Urteil wird auf ihren Namen gestellt, die Verurteilung ist nur in das 
Gesellschaftsvermögen vollstreckbar (Vollstreckung gegen die soch 
wird nur erreicht, wenn sie als Streitgenossen neben der Gesellschaft oder 
1 Unrichtig hiernach, dafs § 49a entbehrlich (Seuffert, Z. 22, 326). Richtig nur, 
dafs er unzulänglich, insofern er 1. ohne Grund solchen Vereinen nur die passive, nicht 
die aktive Parteifähigkeit (also auch nicht die zur Erhebung einer Widerklage?) zuer 
kennt, 2, als er sie nur den Vereinen, nicht auch den Gesellschaften des B.G.B. zuerkennt 
(inkons, gegenüber der Behandl. der offnen Handelsges.). Übersicht der part. Praxis: 
Gaupp: 124 A. 21. Für das gem. R. vgl. bes. R.G. 4, 156. 
2 Wach, Hb. I, 521 u. Gutachten für den 19. Juristentag 2, 69 (1838), Z. 9, 433 (1885). 
Planck I, 210. Seuffert § 50, nr. 1 (S. 68).
	        
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