Anhang. Die Vererbung des ländlichen Grundeigentums in Norwegen. (135)
solange Blutsverwandte vorhanden sind, welche die Mittel und den Wunsch
haben, das Gut der Familie zu erhalten.
Etwas anderes ist das Aasädesrecht. Unter Aasäde (aseta) verstand
man im späteren Mittelalter den Gebrauchsbesitz am Land, eine Bedeutung
welche das Wort auch jetzt noch hat. Daneben bezeichnet aber das heutige
Erbrecht damit den Gutshof mit dem dazu gehörigen Land, auf dem der
Verstorbene gewohnt hat, und den er selbst bewirtschaftete, den Haupthof
oder das sogenannte Hovedböle.
Maßgebend für das heute geltende Aasädesrecht sind die Gesetze vom
26. Juni 1821 (betreffend das Odels- und Aasädesrecht), vom 26. Mai 1860
und vom 9. Mai 1863. Der § 10 des Gesetzes von 1821 gibt eine Definition
des Aasädesrechts. Danach ist es „das Recht, welches dem nächsten von
den Nachkommen des letzten Besitzers zukommt, in den ungeteilten Besitz
des vom Erblasser hinterlassenen Landguts oder, sofern er mehrere Höfe
hinterlassen haben sollte, des Hauptguts zu gelangen gegen Abfindung der
Miterben mit dem ihnen bei der Teilung Zukommenden. Dieses Recht gilt
sowohl für Odelland, wie für Land, welches Eigentum des Erblassers, wenn
auch ohne Odel, ist.“ Der Grundbesitz soll also nicht nach den Regeln des
gemeinen norwegischen Erbrechts frei teilbar sein und in durchaus gleicher
Weise an die einzelnen Erben übergehen, sondern dem nächsten Nach
kommen soll, wenn nur ein Hof vorhanden ist, dieser ungeteilt, wenn mehrere
Hofwirtschaften vorhanden sind, der Haupthof gegen entsprechende Abfindung
etwaiger Miterben zugewiesen werden. Aasädesrecht ist demnach ein Erb
recht, welches den Anspruch eines Nachkommen auf Übernahme des ge
samten oder des Hauptgrundbesitzes der Familie begründet.
Aus der Definition des § 10 ergibt sich, daß alles Land, welches
Gegenstand für Odel, auch Gegenstand des Aasädesrechts ist, daß aber auch
Land, welches Eigentum des Erblassers ohne Odel ist, dem Aasädesrecht
unterliegt. Jedoch sind fideikommissarisch gebundene Güter oder Stamm
häuser ’) sowie Lehen, für welche besondere Erbregeln gelten, ausgeschlossen.
Auch bezieht sich das Aasädesrecht nur auf ländliches Grundeigentum, von
dem allein das Gesetz von 1821 spricht (vergl. unten S. (158) § 10).
Ausgeschlossen vom Aasädesrecht (ebenso wie vom Odelsrecht, vergl.
unten S. (157) § 4) sind daher städtische Grundstücke und solche, die das
Wesen der ländlichen verloren haben z. B. die, welche zu Bergwerken,
Fabriken und Manufakturen gehören.* 2)
Andererseits sind es nicht allein
’) Das Recht, Fideikommisse zu begründen, bestand in Norwegen bis 1814. Dann
wurde es abgeschafft, und es bestehen heute nur noch einige wenige Majorate, die auf die
Zeit vor 1814 zurückgehen.
2) Das Erbschaftsgesetz vom 3. Juli 1854, II. Kap. § 36 trifft hierfür folgende Be
stimmungen: Der, welcher ein Handelsgeschäft, Fabrik- oder anderen industriellen Betrieb
besitzt, kann durch Testament bestimmen, daß das Geschäft mit allem Zubehör von festen
und beweglichen Eigentumsteilen ungeteilt einem oder mehreren seiner Leibeserben für eine
gewisse im Testament genannte Summe zufallen soll, so daß die übrigen Erben von dem
ihnen gesetzmäßig zukommenden Erbe für eine gewisse angegebene Zeit nur gesetzliche
Renten gegen annehmbare Sicherheit beziehen sollen. Ein solches Testament ist jedoch