Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (7)

VII. Schleswig-Holstein. 
(134) 
Wegen des geringen Umfangs der anbaufähigen Ländereien sind die 
landwirtschaftlichen Bodenpreise in Norwegen immer recht hohe gewesen, 
auch in für den Ackerbau ungünstigen Zeiten. Trotz hoher Arbeitslöhne, 
niedriger Getreidepreise und hoher Steuern ist der Bodenpreis in neuerer 
Zeit für den vorherrschenden bäuerlichen und Kleinbesitz im Steigen ge 
blieben. Die Preise sind im allgemeinen nur für große Güter herunter 
gegangen 
II. Der heutige Rechtszustand bezüglich Vererbung des 
ländlichen Grundeigentums in Norwegen: 
Das Aasädesrecht 
Die Bestimmungen des heutigen norwegischen Eigentums- und Erb 
rechts stammen im allgemeinen aus nationalen Quellen, sie sind indessen im 
Laufe der Zeiten von fremden Rechten, namentlich vom römisch-deutschen 
Recht, stark beeinflußt worden. Nur die für das ländliche Grundeigentum 
bestehenden besonderen Rechtsinstitutionen machen hiervon eine Ausnahme 
Sie sind durchaus einheimischen Ursprungs. Die alte Trennung zwischen 
Fahrhabe und Grundeigentum, im deutschen Rechte mehr und mehr ver 
wischt, ist in Norwegen bis auf den heutigen Tag bestehen geblieben. 
Für ländliches Grundeigentum gelten vor allem das Odelsrecht, ein 
Einlösungs- oder Retraktrecht, und das Aasädesrecht, das spezifisch 
norwegische Erbrecht am Bauernland. 
Beide Rechte wurzeln in derselben germanischen Rechtsanschauung 
sie stehen vielfach in enger Beziehung zueinander, und die neuere Gesetz 
gebung hat beide Rechte zusammen behandelt, so daß man zum Verständnis 
des einen sich auch über das Wesen des andern klar werden muß. 
Beim Odelsrecht handelt es sich um Folgendes: Wenn ein bäuerliches 
Grundstück oder ein Landgut eine Reihe von Jahren — nach den heute 
gültigen Bestimmungen 20 Jahre lang — im Besitze eines Mannes, seinei 
Frau oder seiner Kinder ist, so wird dieser Besitz nach norwegischer An 
schauung zur eigentlichen Heimat dieser Familie, das Land wird zu Odel 
land, der Hof zum Odelhof. Damit der Besitz der Familie nach Möglichkeit 
erhalten bleibe, wird den Verwandten des Besitzers beim Verkauf des Odel 
guts an Fremde ein Einlösungsrecht zugestanden, wonach sie den Hof 
während dreier Jahre gegen Erstattung eines durch Taxation bestimmten 
Rückkaufspreises wieder an sich ziehen können. Das Odelsrecht ist also ein 
den Verwandten des Verkäufers von Odelgut zustehendes Retraktrecht, durch 
welches verhindert werden soll, daß das Gut in den Besitz Fremder gerate, 
’) Vergl. hiezu die Beilage unten S. (156) ff. 
Literatur: U. A. MorzFELDr, Lovgivningen om Odelsretten og om Aasädesretten. 1846. 
FRED. BRANDT, Tingsretten fremstillet efter den norske Lovgivning. Kristiania 1876.
	        
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