Die volkswirtschaftliche u. soziale Bedeutung d. Vererbungssitten u. die Erbrechts-Reform. 575
Aber wo eine ausgeglichene Besitzverteilung besteht oder sich anbahnt, ist
von einer Arbeiternot wenig zu spüren.
Von der Geest des Kreises Husum wird berichtet (Jahresber. d. schl.-holst, Landw.
Kammer 1899): „Im ganzen kann man über die hiesigen Arbeiterverhältnisse nicht klagen.
Teurer ist die Arbeit natürlich geworden, schlechter aber nicht. Auch die Arbeiter sind
keineswegs schlechter, sondern in vielen Beziehungen besser als früher, nicht nur ihr Wohl
stand hat zugenommen, sondern ebenso ihre Gesittung.“ Und an anderer Stelle: „Hier
findet eine so allmähliche Abstufung in der Größe der Wirtschaften statt, daß es in sehi
vielen Fällen kaum angegeben werden kann, ob der Besitzer als Arbeitgeber oder Arbeit
nehmer betrachtet werden muß. Die hier vorhandenen Arbeiter sind fast ausnahmslos
Besitzer kleiner Stellen, die Dienstboten zum großen Teil Kinder solcher Besitzer. Infolge
dieses Umstandes treten die sonst vielfach laut werdenden Übelstände hier weniger zutage,
In den kleinen Wirtschaften stehen die Dienstboten den Hauskindern gleich, die Tagelöhner
sind Naclbarn, die eigentlich nur nachbarliche Hülfe leisten“ .... Auch „in den größeren
Wirtschaften ist ein Mangel an Tagelöhnern nicht bemerkbar, stellenweise vielleicht an Ge
sinde.“ „Wenn auch ein großer Teil der kleinen Besitzer mit Schulden behaftet ist, so
fordert doch der eigene Besitz den Sparsinn. Daher wird auch mit vollem Recht von den
in recht großer Zahl im Bezirke vorhandenen Sparkassen der Erwerb von Häusern und Land
seitens der Arbeiter nach Kräften begünstigt“ .... „In den Marschdistrikten und auf den
Inseln liegen die Verhältnisso weniger günstig. Es fehlt dort der angesessene Arbeiterstand
wenigsteus ist er nicht groß genug. Auch ist dort der Unterschied zwischen Arbeitgeber
und Arbeiter schärfer wie auf der Geest.
Ähnlich lautet ein Bericht aus Angeln (Landw. Gen. Verein 1889): „Die Arbeiter
verhältnisse sind hier bis jetzt noch verhältnismäßig günstig, da die Verteilung des Grund
und Bodens eine glückliche ist, indem außer einigen größeren Gütern ein wohlhabender
Bauernstand den größten Teil des Grundbesitzes inne hat, außerdem aber überall Besitztümer.
von Haus und Garten bis zu Zweipferdebauerstellen, in jeder Größe vorhanden sind, so
daß es dem sparsamen Arbeiter mit Hilfe der überall vorhandenen Sparkassen ermöglicht
wird, nach einer Reihe von Dienstjahren ein Eigentum zu erwerben.
Es ist kein Zweifel, daß, wenn auch Schleswig-Holstein im ganzen
kein Land für Spatenkultur ist, doch noch sehr viel Raum für leistungsfähige
Kleinbauerngüter und für Arbeiterstellen bleibt und durch ihre Begründung
der Abwänderung ein kräftiger Riegel vorgeschoben werden könnte.
Nicht daß überhaupt ein starker Abzug von den Landbezirken statt
findet, sondern daß sehr dünn bevölkerte Bezirke über die Landflucht
zu klagen haben, und zwar in einer Zeit, welche bei günstigeren Preis
verhältnissen besonders für Erzeugnisse der Tierzucht und der Möglichkeit
großer technischer Fortschritte eine Intensivierung der Bodenkultur gestattet.1)
ist auffallend
In Schleswig-Holstein ist der Kleinbetrieb im ganzen so schwach ver
treten wie in wenigen anderen Teilen Deutschlands, schwächer auch als in
den anderen Nordwestprovinzen
Es entfielen 1895 Prozent der landwirtschaftlichen Fläche auf die
Betriebe von
unter 2 ha 2—5 ha
5—20 ha mehr als 20 ha.
Schleswig-Holstein
1,85
3.50
17,14
77,51
Hannover
6,61
11,83
32,01
49,55
Westfalen
9,80
13,64
34,67
41,89
*) Vgl. oben S. 365.