Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (7)

Dritter Teil. 
Die volkswirtschaftliche und soziale Bedeutung 
der Vererbungssitten und die Erbrechts-Reform. 
I. Analyse der Vererbungssitten in Marsch und Geest. 
1. Die wirtschaftlichen Formen. 
Die Naturalteilung der Grundstücke, an der Westküste dereinst wohl 
allgemein betätigt, hat sich nur noch dort als mehr oder weniger herrschende 
Vererbungssitte erhalten, wo besondere Bedingungen sie begünstigen: auf 
den nordfriesischen Geestinseln, deren Landbau nur als Nebengewerbe be 
trieben wird, auf dem beschränkten, aber durch ausgedehnte Weiden er 
gänzten Kulturareal des Risum-Moores. Nordfriesen übertrugen die Sitte 
auch auf die Vorgeestbezirke 
Im übrigen ist seit der Entstehung der größeren Marschhöfe die Ver 
erbung der Landgüter im Alluvialgebiet der Westküste nicht weniger als in 
dem diluvialen Hauptteil des Landes von der Vorstellung beherrscht, daß 
der im Laufe der Jahrhunderte gebildete Wirtschaftskomplex von Grund 
stücken und Gebäuden nicht einem zivilrechtlichen Prinzip zu Liebe zerstort 
werden dürfe. 
Hier entscheiden Erwägungen der ökonomischen Zweckmäßigkeit, die 
noch verstärkt werden durch standesmäßige Traditionen. Die losere Struktur 
der Marschhöfe kommt nur noch darin zum Ausdruck, daß anläßlich der 
Familienauseinandersetzungen häufiger einzelne für den Betrieb entbehrliche 
Grundstücke losgetrennt und so die Mittel für Aussteuern, Abfindungen usw. 
ohne Schuldaufnahme beschafft werden. Auch pflegen die unbewöhnten 
Weidefennen unter die Miterben gleichmäßig verteilt zu werden. Doch 
wäre es ebenso unangebracht, hier von einer Naturalteilung zu sprechen wie 
bei der Übereignung von Wertpapieren an mehrere Erben. Es handelt sich 
nicht darum, aus einem mehrere landwirtschaftliche Anwesen zu schaffen, 
sondern rentegebende selbständige Vermögensstücke als solche auszuteilen. 
Auf den ungeteilten Höfen kommen noch die alten, langdauernden 
Erbengemeinschaften (Kommunhausungen) hie und da vor, besonders außer 
halb des Anerbenrechtsgebietes, aber die Regel ist seit dem Ausgänge des 
Mittelalters die Übertragung des Grundeigentums an einen der Erben.
	        
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