Die heutige Vererbung des bäuerl. Grundbesitzes. Die Marsch usw. Die Insel Fehmarn. 511
Es hat den Anschein, als ob bei den erwähnten Angaben der Gemeindevorsteher die
kostenlose Überlassung des Inventars meist nicht mit in Anschlag gebracht worden wäre
Dr. SrRUVE bemerkt mit Recht, mit dem Betriebskapital erhalte der Übernehmer erst
das Mindestmaß der Mittel, in deren Besitz jemand sein muß, wenn er nicht schon den
ersten Wechselfällen der Konjunktur zum Opfer fallen solle. Der „Ertragswert des Grund
kapitals dürfte sich kaum geringer als auf 2000 M pro Hektar stellen“. Von einer „eigent
lichen Begünstigung könne nur die Rede sein, wenn man die im Wege des freien Verkehrs
erzielten Preise zu Grunde“ lege. Auf sie kommt es für uns freilich gerade an
Aus der Haseldorfer Marsch wird berichtet: „Auch in den Fällen, in welchen das
Intestaterbrecht zur Anwendung kommt, ist durch eine der Auseinandersetzung stets vorher
gehende Schätzung dafür gesorgt, daß der Annehmer möglichst leistungsfähig bleibt. Diese
Schätzungen, welche bislang ausnahmslos unter Mitwirkung des Gerichts erfolgt sind, finden
durch sogenannte Distrikstaxatoren statt, zwei Sachverständige, welche auf unbestimmte Dauer
distriktsweise seitens der Verwaltungsbehörden ernannt und gerichtlich verpflichtet werden.
Diese schätzen, ohne an Weisungen gebunden zu sein, nach freiem Ermessen, indem sie bei
kleineren Stellen die Gebäude und das Land zusammen und bei größeren getrennt zu schätzen
pflegen und zum Schluß das lebende und tote Inventar.
Dieses Institut hat sich, soviel ich zu beurteilen vermag, bewährt, und wird dadurch
erreicht, daß der Stellannehmer leistungsfähig bleibt, weil die Taxatoren ihrer Schätzung den
Ertragswert der Stelle und nicht den Verkehrswert zu Grunde legen und die spätere Lage
des Annehmers berücksichtigen.
Daß diese Schätzungen zu Streitigkeiten zwischen den Miterben Veranlassung gegeben
hätten, ist mir nicht bekannt“. (A.-G. Utersen.)
Es steht demnach fest, daß außerhalb der reinen Weidereviere dem
Gutsnachfolger wesentlich mehr als sein Intestaterbteil zugewiesen zu werden
pflegt; auch ist kein Zweifel, daß man in der Elbmarsch mit größerem
Nachdruck auf die Erhaltung der Leistungsfähigkeit des Übernehmers hin
wirkt als in Ditmarschen.
Selbstverständlich kommen Fälle vor, in denen keiner der Erben bereit
ist, den Hof zu übernehmen, sei es aus individuellen Gründen, sei es wegen
Überschuldung, und das Besitztum dann zum Verkauf kommt. Es ist aus
geschlossen, daß etwa einer den Hof fast umsonst erhält und die Miterben
leer ausgehen. Deshalb wird der Hof aufgegeben, wenn die Vermögenslage
ungünstig und die Familie zahlreich ist, es sei denn, daß einer durch eine
reiche Heirat in die Lage versetzt wird, den Hof zur üblichen Taxe zu
übernehmen. Die Nachweisungen der Gemeindevorsteher aus der Wilster
und Kremper-Marsch, welche den letzten Fall der Vererbung oder Guts
übertragung für sämtliche Höfe und viele kleine Stellen der Elbmarsch ge
nauer behandeln, führen einige solche Fälle auf. Hin und wieder einmal
mußte ein Übernehmer wegen zu großer Belastung den Hof bald aufgeben, wo
z. B. 7 Abfindlinge zu bedenken waren. In anderen Fällen nötigte Mißwirt
schaft dazu. Häufiger war Kinderlosigkeit der Anlaß zum Verkauf; meistens
würde dann übrigens ein entfernterer Verwandter, z. B. ein Neffe, berufen.
Dies alles sind die Fälle, in denen sich für wohlhabendere Eltern und
Abfindlinge Gelegenheit ergibt, einen Hof zu erwerben. Manchmal sehen
sich auch Abfindlinge, die mit zu geringer Anzahlung angekauft hatten, ge
zwungen, den Hof wieder aufzugeben. Endlich gibt es auch in einzelnen
Gemeinden Höfe, die seit sehr langer Zeit überhaupt nicht mehr zur Ver-