VII. Schleswig-Holstein.
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Grundbesitz, der lediglich aus unbewohnten Weidefennen besteht, wird,
seiner wirtschaftlichen Natur entsprechend, im Erbgange wie Kapital behandelt.
Die alte Vorstellung vom Erbgut, das der Familie zu erhalten sei, ist hier
gänzlich verschwunden. Das Land wird gleichmäßig unter alle Erben ver
teilt. Nicht anders als Wertpapiere haben die Trennparzellen vereinzelt den
selben Wert, wie in ihrer Zusammenfassung. Die alte Bestimmung des Eider
stedter Landrechts, wonach die Söhne doppelt soviel erben wie die Töchter
findet deshalb auch keine Anwendung.
Die amtlichen Berichte aus Eiderstedt sprechen nicht von den im
vorigen behandelten sozialen und wirtschaftlichen Umwälzungen und nicht
von der Vererbung der unbewohnten Weidefennen. Sie behandeln lediglich
die bewohnten Höfe. Aber die Leichtigkeit, mit der jedes Grundstück in
ein rentegebendes Kapital zu verwandeln ist, muß auch die Vererbung der
eigentlichen Landgüter beeinflussen.
Über den Umfang der bewohnten Höfe gibt die Statistik der ländlichen
Privatbesitzungen genaue Auskunft. Es gab außerhalb der städtischen
Gemarkungen Tönning und Garding 1893 — 291 selbständige kleine Höfe
von weniger als 500 Tlr. Grundsteuerreinertrag und 325 größere Höfe. Zu
den letzteren gehörten rund ¾ der Fläche aller bewohnten land- und forst
wirtschaftlichen Besitzungen. Dasselbe Bild ergibt im allgemeinen die
Statistik der landwirtschaftlichen Betriebe, welche das von den Besitzer
mitbewirtschaftete Pachtland einschließen. Darnach entfielen auf die Betriebe
von 20 — 100 ha rund 66%, und von mehr als 100 ha: 11%, zusammen
also wieder ¾ der landwirtschaftlichen Betriebsfläche. Von 1882—1895
haben die Betriebe von 20—100 ha der Zahl und Fläche nach zugenommen
und zwar allein unter allen Betriebskategorien (vgl. Anlage VI, Tab. X1).
Um allein von Gräsung leben zu können, braucht man etwa 40 ha
Land; durchschnittlich haben die „Hofbesitzer“ etwa 50 ha. Ein Hof von
50 ha kostet rund 125000 M, und seine Bewirtschaftung erfordert 30000 M
Betriebskapital. Die Leute von 15—20 ha, „Bauern“ im Gegensatz zu den
„Hofbesitzer“ genannt, treiben Aufzucht von Shorthornvieh, verkaufen die
Kälber und beackern daneben eine kleine Parzelle. Leute von 5—10 ha
Grundbesitz sind Milchwirte, Mitglieder von Meiereigenossenschaften, neben
bei auch ländliche Arbeiter, insbesondere Aufseher über die von Auswärtigen
verpachteten oder bewirtschafteten Fennen. Sie sollen sich im ganzen recht
gut stehen, bilden aber keine soziale Macht, wie sich in dem Zurück
weichen der kleineren Betriebe statistisch zeigt, und sind besonders auch
ohne Einfluß auf den Grundstückspreis.
Nach den Berichten vollzieht sich nun die Vererbung der bewohnten
Besitzungen wie folgt:
Nur selten wird der Erbgang testamentarisch geordnet. Wo Testamente
vorkommen, verfolgen sie den Zweck, „dem überlebenden Ehegatten bei
kinderloser Ehe den lebenslänglichen Genuß des Gesamtvermögens oder
bei beerbter Ehe die fortdauernde Gütergemeinschaft mit den Kindern zu
sichern“ (A.-G. Garding), daneben und bisher häufiger noch, den Vorzug
des männlichen Geschlechtes für den Erbgang auszuschließen (A.-G. Tönning).