Die heutige Vererbung des bäuerl. Grundbesitzes. Der Mittelrücken und der Osten, 401
mittelten vielleicht nicht unerheblich übersteigt und deshalb im Falle eines
öffentlichen Verkaufs der Landstelle voraussichtlich ein höherer Preis und
somit eine bessere Teilungsmasse werde erzielt werden,*) gleichwohl im
Interesse der minderjährigen Kinder eine derartige Regulierung sich nicht
empfiehlt. Es ist vielmehr die Auffassung der Landbevölkerung, daß es
vornehmlich darauf ankomme, die Besitzer von Landstellen so zu stellen.
daß sie leistungsfähig und insbesondere in der Lage sind, ihren Familien
angehörigen im Falle der Not Zuflucht und Schutz zu gewähren. Von
dieser Auffassung ausgehend, erkennen denn auch die Vormünder der minder
jährigen Kinder oder sie selbst, soweit sie mündig sind, eine derartige Regu
lierung regelmäßig an, ohne sich hierdurch als beeinträchtigt zu erachten.
wenn sie auch tatsächlich erheblich weniger erhalten haben, als ihnen bei
gleicher Teilung zugefallen wäre. Die Erbteile werden sich ja für die
jungeren Geschwister verhältnismäßig günstiger gestalten, wenn bei größeren
Hufenstellen eine geringere Belastung statt hat oder die Zahl der jüngeren
Geschwister nicht groß ist, resp. die Notwendigkeit der Gewährung einer
Abnahme an die Witwe wegfällt; immerhin wird aber als die Regel hinzu
stellen sein, daß der Anerbe auch in Ermangelung eines Testamentes die
Landstelle unter erheblich günstigeren Bedingungen erhält als bei einer Ver
teilung nach dem Anerbenrecht unter Anwendung der Bruder- und Schwester
taxe, und zwar zu einem derartigen Preise, daß er dabei „bestehen kann“,
d. h. in der Bewirtschaftung der Stelle, Verzinsung der Schulden usw. nicht
zu sehr gedrückt wird. In der Regel wird die auf diese Weise durch Ver
gleich ermittelte Übernahmesumme wohl derjenigen Summe annähernd ent
sprechen, welche der Vater im Falle der Errichtung eines Testamentes fest
gesetzt haben würde, wenigstens dürfte es als die Absicht der Erbinter
essenten festzustellen sein, die Auseinandersetzung möglichst im Sinne des
verstorbenen Besitzers zu beschaffen. Wenn nach dem Resultate der Taxation
gegen die Übernahme der Landstelle durch den Anerben für die durch die
Taxation ermittelte Summe Bedenken nicht obwalten, dann geschieht selbst
verständlich die Verteilung der Abfindungssumme auf die Geschwister unter
Berücksichtigung des Geschlechtsunterschiedes.
Es sind andererseits vereinzelt auch Fälle vorgekommen, in denen auf
Drängen der Vormünder der minderjährigen Kinder die Summe, für welche
der Anerbe die Stelle zu übernehmen hat, nicht unwesentlich erhöht worden
ist. Diese Fälle möchten aber darauf zurückzuführen sein, daß bei der
Taxation die lokalen Verhältnisse auf seiten der Taxatoren nicht gebührend
gewürdigt und die Grundstücke resp. die Gebäude deshalb sehr erheblich
zu gering veranschlagt worden sind, resp. daß wegen der Beschaffenheit der
Grundgüter und der obwaltenden Konjunkturen die Grundgüter einen erheb
lich höheren Verkaufswert besitzen als vor der Taxation angenommen ist.
’) Bekanntlich haben aber, soweit das Näherrecht gilt, die Geschwister des Anerben
und ihre Vormünder nicht die Befugnis, den öffentlichen Verkauf zu verlangen,
Vererbung des ländlichen Grundbesitzes. VII. Schleswig-Holstein,