Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (7)

Die heutige Vererbung des bäuerl. Grundbesitzes. Der Mittelrücken und der Osten, 401 
mittelten vielleicht nicht unerheblich übersteigt und deshalb im Falle eines 
öffentlichen Verkaufs der Landstelle voraussichtlich ein höherer Preis und 
somit eine bessere Teilungsmasse werde erzielt werden,*) gleichwohl im 
Interesse der minderjährigen Kinder eine derartige Regulierung sich nicht 
empfiehlt. Es ist vielmehr die Auffassung der Landbevölkerung, daß es 
vornehmlich darauf ankomme, die Besitzer von Landstellen so zu stellen. 
daß sie leistungsfähig und insbesondere in der Lage sind, ihren Familien 
angehörigen im Falle der Not Zuflucht und Schutz zu gewähren. Von 
dieser Auffassung ausgehend, erkennen denn auch die Vormünder der minder 
jährigen Kinder oder sie selbst, soweit sie mündig sind, eine derartige Regu 
lierung regelmäßig an, ohne sich hierdurch als beeinträchtigt zu erachten. 
wenn sie auch tatsächlich erheblich weniger erhalten haben, als ihnen bei 
gleicher Teilung zugefallen wäre. Die Erbteile werden sich ja für die 
jungeren Geschwister verhältnismäßig günstiger gestalten, wenn bei größeren 
Hufenstellen eine geringere Belastung statt hat oder die Zahl der jüngeren 
Geschwister nicht groß ist, resp. die Notwendigkeit der Gewährung einer 
Abnahme an die Witwe wegfällt; immerhin wird aber als die Regel hinzu 
stellen sein, daß der Anerbe auch in Ermangelung eines Testamentes die 
Landstelle unter erheblich günstigeren Bedingungen erhält als bei einer Ver 
teilung nach dem Anerbenrecht unter Anwendung der Bruder- und Schwester 
taxe, und zwar zu einem derartigen Preise, daß er dabei „bestehen kann“, 
d. h. in der Bewirtschaftung der Stelle, Verzinsung der Schulden usw. nicht 
zu sehr gedrückt wird. In der Regel wird die auf diese Weise durch Ver 
gleich ermittelte Übernahmesumme wohl derjenigen Summe annähernd ent 
sprechen, welche der Vater im Falle der Errichtung eines Testamentes fest 
gesetzt haben würde, wenigstens dürfte es als die Absicht der Erbinter 
essenten festzustellen sein, die Auseinandersetzung möglichst im Sinne des 
verstorbenen Besitzers zu beschaffen. Wenn nach dem Resultate der Taxation 
gegen die Übernahme der Landstelle durch den Anerben für die durch die 
Taxation ermittelte Summe Bedenken nicht obwalten, dann geschieht selbst 
verständlich die Verteilung der Abfindungssumme auf die Geschwister unter 
Berücksichtigung des Geschlechtsunterschiedes. 
Es sind andererseits vereinzelt auch Fälle vorgekommen, in denen auf 
Drängen der Vormünder der minderjährigen Kinder die Summe, für welche 
der Anerbe die Stelle zu übernehmen hat, nicht unwesentlich erhöht worden 
ist. Diese Fälle möchten aber darauf zurückzuführen sein, daß bei der 
Taxation die lokalen Verhältnisse auf seiten der Taxatoren nicht gebührend 
gewürdigt und die Grundstücke resp. die Gebäude deshalb sehr erheblich 
zu gering veranschlagt worden sind, resp. daß wegen der Beschaffenheit der 
Grundgüter und der obwaltenden Konjunkturen die Grundgüter einen erheb 
lich höheren Verkaufswert besitzen als vor der Taxation angenommen ist. 
’) Bekanntlich haben aber, soweit das Näherrecht gilt, die Geschwister des Anerben 
und ihre Vormünder nicht die Befugnis, den öffentlichen Verkauf zu verlangen, 
Vererbung des ländlichen Grundbesitzes. VII. Schleswig-Holstein,
	        
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