VII. Schleswig-Holstein.
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Aber die Übereignung des Hofes an einen bedeutet nicht, daß die
Geschwister unmittelbar mit dem Eintritt der Auseinandersetzung vom väter
lichen Hofe ausgeschlossen sind. Vielfach wird von den bäuerlichen Be
richten betont, die abgefundenen Miterben hätten ein Zufluchtsrecht oder
Wohnrecht“ bis zur Konfirmation, bis zu ihrer Verheiratung, bis sie eine
eigene Existenz gegründet, bis zu ihrer Großjährigkeit, bis zum 18. bezw.
22. Jahr usw. Die Abfindungssummen werden durch die Verpflichtung er
gänzt, „allen Geschwistern, solange sie unverheiratet sind, in Krankheits
und Schwachheitsfällen sowie in Fällen der Not freie Zuflucht zum Hofe
nebst Pflege zu gewähren“ (A.-G. Apenrade).
Im allgemeinen existieren jedoch über die bezeichneten Grenzen hinaus
d. h. für die erwachsenen und gesunden Miterben keine eigentlichen Zufluchts
rechte. Durch die Abfindung ist jede rechtliche Beziehung zum Hofe gelöst.
Dennoch bleibt tatsächlich der Hof häufig für sie auch nach Feststellung der
Abfindungen noch der Mittelpunkt der Familie. „Doch ist dieser Hof noch
lange der Mittelpunkt, wo die Geschwister sich treffen“ (Bericht aus Kreis
Segeberg). „Nach alter Gewohnheit bietet die Heimat auch während der
Festzeiten und Ferien den Beamten Aufenthalt“ (Bericht aus Kreis Flensburg).
„Nach der Konfirmation besteht kein Zufluchtsrecht mehr für die Geschwister,
sie werden jedoch auch nicht abgewiesen, wenn sie aus anderen Stellen usw.
zurückkehren“ (Kreis Pinneberg). „Man betrachtet den Hof als Zufluchtsort,
hat jedoch kein besonderes Recht dazu“ (Kreis Rendsburg). „Ein Zufluchts
recht besteht nicht, es kommt aber ganz von selbst, wenn Liebe unter den
Geschwistern herrscht“ (Kreis Kiel
Allgemein werden dagegen kränkliche, verkrüppelte und geistes
schwache Geschwister für das ganze Leben auf der Stelle untergebracht.
Die diesbezügliche Frage wurde nahezu ausnahmslos von sämtlichen Bericht
erstattern bejaht. Solche Geschwister werden „an den Hof vermacht“. Wenn
das Erbteil des Betreffenden ausreichend ist, um ihm auswärts eine passende
Versorgung in einer Anstalt zu schaffen, dann pflegt dies heute öfter zu
geschehen als früher, wo entsprechende Anstalten fehlten. In der Regel
aber ist die Erbabfindung aus einem mittleren Bauernhof dazu nicht groß
genug. Es gilt deshalb auch heute überall durchaus als Rechtsanspruch
jener Unglücklichen, auf dem väterlichen Hofe selbst eine dauernde Heimat
zu finden, wogegen sie sich dort noch nach Kräften nützlich machen.
4. Die Person des Gutsübernehmers.
Die Auswahl des Hofannehmers unter den mehreren Erben ist im
ganzen Bezirk durch Recht oder Sitte fest geregelt. Im Schleswiger Anerben
rechtsgebiet ist gesetzesrechtlich der älteste Sohn, in den Holsteinischen
Anerbenrechtsdistrikten gewohnheitsrechtlich, zum Teil der älteste, zum Teil
der jüngste Anerbe. Nach den übereinstimmenden Äußerungen sämtlicher
Berichterstatter ist auch bei Gebrauch der Verfügungsfreiheit seitens des
Vorbesitzers eine Abweichung von der Rechtsregel fast nie zu beobachten.
(Amtsgerichte Wandsbeck, Bargteheide, Reinfeld, Segeberg, Neustadt, Heiligen-