VII. Schleswig-Holstein.
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als wollten sie damit sagen, daß hochverschuldete Höfe selten sind. Es wird
aber auch ein Fall berichtet (s. unten Ziffer IV, c, 3), daß ein hochver
schuldeter Hof von einem Sohne übernommen werden mußte, weil sich im
öffentlichen Ausbot kein Käufer fand.
Einer besonderen Betrachtung bedürfen an dieser Stelle einige kleinere
Distrikte:
1. Das nördliche Schleswig. In dem nördlichen Grenzdistrikt der
Provinz ist lange Zeit hindurch eine gegenwärtig schon wieder abflauende
Bewegung der Grundbesitzungen zu bemerken gewesen, wie sie vielfach in
fremdsprachigen, neu in den Staatsverband aufgenommenen Gegenden an
getroffen wird. Das A.-G. Rödding berichtet 1894: „Das Grundstück ist hier
Handelsware geworden.“ ... Die meisten Landbesitzer möchten am liebsten
ihren Grundbesitz verkaufen und nach Amerika auswandern. Im Jahre 1893
wäre in 145 Fällen der Grundbesitz in fremde Hände übergegangen, dagegen nur
in 21 Fällen auf Grund von Testamenten, Überlassungs- und Erbauseinander
setzungsverträgen der Familie erhalten worden. (Verhältnis 87 : 13.) Und
zwar waren es „in den bei weiten meisten Fällen“ nicht Parzellen, sonderr
ganze Besitzungen, „wobei es sich freilich häufig nur um ganz kleine Stellen
mit nur etwa 2 Kühen handelt“. Der Landrat des Kreises bemerkt: „Wenn
trotz der für die Erhaltung des ländlichen Grundbesitzes günstigen Ver
erbungsweise im hiesigen Kreise, besonders im westlichen Teile, ländliche
Grundstücke in fremde Hände übergehen, so mag einen kleinen Teil dei
Schuld daran wohl die vom Amtsgerichte Rödding erwähnte Auswänderung
nach Amerika tragen, der Hauptgrund liegt aber meines Erachtens in der
namentlich in den 70er Jahren stattgehabten Massenauswänderung von
damals noch nicht 17 jährigen männlichen Personen nach Dänemark mit
Entlassungsurkunde zwecks Umgehung der Militärpflicht. Diesen Leuten,
welche vielfach die einzigen männlichen Erben hiesiger Grundbesitzer sind.
wird jetzt die Rückkehr verweigert.“ In den 90 er Jahren entstand durcl
einen deutschen Ansiedlungsverein eine starke Nachfrage nach bäuerlichen
Besitzungen. Viele, die verschuldet waren oder nicht mehr wirtschaften
wollten oder die etwas anderes zu kaufen beabsichtigten, verkauften dem
Ansiedlungsverein, der eine größere Anzahl deutscher Ansiedler dort seßhaft
machte. Vom Jahre 1900 an wurde aber durch die dänische Partei dem
energisch entgegengearbeitet. Sie vermittelt insbesondere finanziell schlecht
gestellten Leuten Darlehen zu niedrigem Zinsfuß (2—2½ auch 1%),*) auch
setzt man alles daran, um die Auswanderung der Dänen zu verhüten. „Seit
jener Zeit gehört die Entziehung von der Wehrpflicht im diesseitigen Kreise
zu den größten Seltenheiten, im Gegenteil melden sich Jahr für Jahr zahl
reiche Geburtsdänen zur Stammrolle, um dienen zu können und auf diese
Weise die preußische Staatsangehörigkeit zu erlangen, die sie auf andere
*) Zum Teil kauft sie auch Höfe durch ihre Kommissionäre auf und belebt dadurch
den Grundstücksmarkt.