Geschichtliche Darstellung. Der Adel,
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sich an einer kapitalistischen Auffassung und Ausbeutung des Besitztums
verhindert sehen. Hier begegnet man zuerst dem bewußten Streben, den
Glanz und das Ansehen der Familie durch vorsichtige Vererbungs-Politik zu
erhalten.
III. Die Entwicklung vom letzten Viertel des 18. Jahrhunderts bis
zur Gegenwart.
1. Bodenspekulation und Besitzwechsel.
Wie für die bäuerlichen Besitz- und Wohlstandsverhältnisse, so ist auch
für die großen Güter die zweite Hälfte, besonders das letzte Viertel des
18. und der Anfang der 19. Jahrhunderts eine Zeit innerer Umgestaltung
Die Einführung neuer landwirtschaftlicher Betriebsmethoden, die Anbahnung
einer neuen Arbeitsverfassung und die Aufhebung der Leibeigenschaft (1804),
die rapide Preisveränderung aller landwirtschaftlichen Produkte üben einen
tiefgehenden Einfluß auf die Organisation der großen Güter aus. Die
beispiellose Prosperität der Landwirtschaft führt zu einem überaus starken
-Andrang gerade nach dem grösseren Grundbesitz. Es ist eine Zeit wildester
Bodenspekulation, weil jedermann, auch zahlreiche Nichtlandwirte, mühe
losen Gewinn aus dieser Situation erhoffen. In den beiden letzten Jahr
zehnten des 18. Jahrhunderts erreicht der freihändige Besitzwechsel eine
geradezu schwindelhafte Intensivität. Einzelne Güter wechseln im Lauf von
kaum 20 Jahren 10 mal und öfter den Besitzer, dabei sind die Gutspreise
im ständigen Steigen begriffen.*)
Nach dem Stande des Jahres 1800 sind von den mittleren Gütern
(500—1000 ha) 84,6% durch freihändigen Ankauf in die Hand des Be
sitzers gekommen, von den kleinen Gütern mit weniger als 500 ha 83.3%
Von den größten Besitzungen, die mehr als 1000 ha Fläche haben, ist aller
dings der größere Teil, nämlich 65,2% — also mehr als im Jahre 1750
durch Erbschaft erworben. Hier macht sich schon das Vordringen neuer
Anschauungen bei den reichsten Besitzem und die gleich zu besprechende
Fideikommißgründung geltend. Zieht man die Fideikommisse bei obiger
Zahl ab, so ergibt sich für die übrigen ein um so lebhafterer Besitz
wechsel. Die Spekulation und der freihändige Besitzwechsel setzen sich
noch bis 1810 fort. Dann tritt mit sinkenden Gutspreisen ein Abflauen der
Bewegung ein, im Jahre 1825 sind von den mittleren Gütern — 500 bis
1000 ha — immerhin noch 60 %, von den kleinen —
unter 500 ha
80% durch Kauf erworben, für die größten Güter ist das Verhältnis das
selbe geblieben (vgl. die Tabelle S. 349).
’) Z. B. Groß-Nordsee 1752: 54 000 Rtlr., 1765: 66 000 Rtlr., 1796: 144000 Rtlr.,
1803: trotz Abverkaufs eines Meierhofs 213000 Rtlr. — Lehmkuhlen 1793: 190000 Rtlr.,
1798: 236 000 Rtlr. — Petersdorf 1783: 50 000 Rtlr., 1801: 162 000 Rtlr.
Vererbung des ländlichen Grundbesitzes. VII. Schleswig-Holstein,