VII. Schleswig-Holstein.
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Im Volkskriege wurde (1139) Wagrien erobert,) und noch lange
bildete die freie Bauernschaft einen überaus wichtigen Bestandteil der
militärischen Kraft des Landes; auch Reiterdienst wurde von ihr gelegent
lich noch Ende des 14. Jahrhunderts gefordert. 2
In HELMOLDS Zeit fallen Heer-, Gerichts- und Volksversammlung noch
zusammen. 3)
kommen der sächsischen Markmänner in dem deutsch gebliebenen Lande Sadelbende am
Westufer der Delvenau nur einen geringen festen Betrag von jeder Hufe (manso), vgl. Duvr,
Mitteilungen zur näheren Kunde d. Staatsgeschichte des Herzogt. Lauenburg, Ratzeburg 1857.
S. 40 u. 84. Mit Unrecht spricht daher Nrrzson in seinem Aufsatz über den holsteinischen
Adel (Allgem. Monatsschr. f. Wissensch. u. Literatur, 1894) von „adligen Grenzdistrikten"
„Der holsteinische Adel,“ bemerkt WArrz (Verfassungsgeschichte V, S. 403) treffend, „wie
er uns im 12. Jahrhundert entgegentritt, besteht aus freien Bauern, die zu der Grenz
verteidigung verpflichtet waren, und deren Recht hierauf, wie auf der Teilnahme am Land
gericht beruhte.“ Vgl. auch WArrz, S.-H. Geschichte, S. 63.
’)„Im nächsten Sommer zogen die Holsaten, nachdem sie sich untereinander aufgefordert
hatten, sogar ohne den“ (abwesenden) „Grafen vor die Burg Plune (Plön) und eroberten widen
Verhoffen mit Gottes Hilfe diesen Ort.“ Sie machten dort alles nieder und verfuhren nun mit
den Slaven „wie jene mit ihnen zu verfahren beabsichtigt hatten, indem sie ihr ganzes Land
wüst legten“. Sie hatten Freiheit, „sich an den Slaven zu rächen, ohne daß jemand es ihnen
gewehrt hätte“. Denn die Fürsten pflegen die Slaven zu beschützen, um ihre Einkünfte zu
vermehren (HELMOLD, Chronik der Slaven I, 56). Nun erging der bekannte öffentliche Auf
ruf des Grafen Adolf, um auswärtige Ansiedler herbeizurufen (siehe oben S. 25). „Den
Holsaten und Stormarern aber ließ er sagen: Habt ihr nicht das Land der Slaven unter
worfen und es mit dem Blute eurer Brüder und Väter erkauft? Warum kommt ihr zuletzt,
es in Besitz zu nehmen? Seid die Ersten in das erwünschte Land hinüberzuwandern und
bewohnt es...., da euch das Beste davon gehört, weil ihr es aus Feindeshand gerissen habt“
(ebenda I, 57). Es sei bemerkt, daß Graf Adolf in dem Zuge gegen den Ditmarscher Etheler
4000 Streiter aus Holstein um sich hatte.
2) Der presbyter Bremensis schreibt 1448 im Chronicon Holtzatiae (Quellensammlung
d. Schl.-H. L.-Ges. f. vaterl. Gesch. Bd. 1, Kiel 1862 c. XXVI, S. 90) bei Schilderung eines
Zuges des Grafen Nicolaus gegen die Ditmarscher Ende des 14. Jahrhunderts): „Die
Bauern aus den Kirchspielen Scenevelde, Hademarsch, Westede, Nortorpe, Bornehovede,
Bramstede, Koldenkerken, Kellinghusen und aus der Wilster Marsch sind die eigentlichen
Holsten, und mit ihrer Hilfe haben die früheren Grafen von Holstein ihre Siege errungen.
Aus ihnen erlas der Graf Claus bestimmte Leute, aus großen Dörfern einen Mann und aus
zwei kleineren ebenfalls einen. Diese hielt er, sobald er ihrer bedurfte, unter den Waffen.
Der Graf hatte diese Bestimmung getroffen, damit die Bauern einerseits nicht von seinen
Vögten belästigt würden, anderseits kriegstüchtige Pferde hielten und Waffen hätten, nament
lich einen eisernen Speer, Schild und Eisenkappe, eiserne Armschienen und Handschuhe,
endlich einen Gürtel. Die Bauern aber, die zu Hause blieben, bezahlten die Ausrustung
derer, welche mit dem Landesherrn im Felde standen, bis zu deren Rückkehr.“ Vgl. hierzu
GLox, Hademarschen S. 5. Weitere Belege bei DETLEFSEN, Rittergeschlechter d. holst. Elb
marsch, Zeitschr. Bd. 27, S. 180. Es ist dieselbe Verfassung, die für die bäuerlichen Frei
güter in Niedersachsen bezeugt ist, nur mit dem Unterschiede, daß diese Freiguter in Hol
stein viel zahlreicher blieben. Vgl. für Niedersachsen die Zusammenstellung bei Hrck, Der
Sachsenspiegel u. die Stände der Freien, Halle 1905, S. 280 ff.
*) HELMoLD erwähnt die colloquia provincialia als etwas Gewöhnliches und Herkomm
liches. I, Kap. 83 u. 86; siehe auch oben S. 195 Anm. 3. Dagegen kann die öfter zitierte
Stelle: Haec est collatio Adolfi et totius provinciae — so beginnt die Aufzählung der Be
sitzungen des Klosters Neumünster im Kirchspiel Ichhorst (Güterverzeichnis um 1200, Reg. I.