Geschichtliche Darstellung. Die altfreien bäuerlichen Eigentümer.
185
einen anderen Hof einzuheiraten Gelegenheit fanden, auf dem väter
lichen Besitztum. Wuchsen sie heran, so freute sich der Vater: Nun habe
ich Knecht und Magd umsonst; es begann die Zeit des Zusammenscharrens.
Die Eltern leiteten die Wirtschaft, bis der Jüngste herangewachsen war,
heiraten und den Hof übernehmen konnte. Wer von den Söhnen auf einen
anderen Hof heiratete, bekam eine Aussteuer mit, z. B. im Segebergischen
ein Paar Pferde, 4 Kühe, Leinenzeug und andere Kistenware, auch einiges
Bargeld. Die anderen waren durchaus gezwungen auf dem Hofe aus
zuharren. Sie blieben meist unverheiratet, es kam aber auch vor, daß einer
der älteren Söhne seine Frau auf das väterliche Besitztum brachte. Dann
wurde ihm eine Wohnung in der Altenteilskate, die meist für mehrere Familien
eingerichtet ist, zugewiesen. Was den Miterben des Jüngsten bei der Hof
übergabe zufiel, reichte selten aus, um eine selbständige Existenz zu gründen.
Manche wurden Arbeiter oder Handwerker.
Vor etwa 50 Jahren begann in der Probstei ein Widerstand der älteren
Geschwister gegen den Dienst bei dem jüngeren Bruder sich geltend zu machen.
Viele wanderten nach den Vereinigten Staaten aus, und die Bewegung hielt
bis etwa zum französischen Kriege an. Seitdem ist es üblich geworden, daß
die Eltern für ein Unterkommen der älteren Kinder in anderen Berufen Sorge
tragen. Sie werden Kaufleute, besuchen eine Baugewerkschule oder ein
Lehrerseminar, werden Meiereiverwalter usw.
Auch in Segeberg-Traventhal ist es nicht mehr häufig, daß einer der
älteren Söhne auf dem Hofe bleibt. Geschieht es doch, so wird ihm zum
Ersatz für seine Arbeit testamentarisch oder im Übergabevertrag gewöhnlich
etwas mehr zugewendet als den anderen. Aber nach wie vor hält man hier
wie in der Probstei auf das Strengste am Vorrecht des Jüngsten fest. Stirbt
der Vater vor dessen Großjährigkeit, so führt die Mutter bis dahin mit
einem tüchtigen Großknecht die Wirtschaft, auch Setzwirtschaft kommt vor,
manchmal verwaltet der Alteste in der Zwischenzeit den Hof. Sterben beide
Eltern früh, so wird die Stelle, und zwar meist in Parzellen und die
Stammstelle für sich, an die Nachbarn bis zur Großjährigkeit des Jüngsten
verpachtet. Der jüngste Sohn erhält den Hof durchweg zu einem immer
noch recht mäßigen Preise. 1)
Allgemein rühmte man sehr die günstigen Wirkungen der herrschenden
Sitte: die Gutsübernahme erfolgt, wenn der Jüngste etwa 24—26 Jahre alt
ist. Die ebenso früh zum Besitz gekommenen Eltern gehen meist mit 60
bis 65 Jahren aufs Altenteil, manche aber auch erst mit 70—75, je nach
’) Z. B. hat er in der Probstei für eine Stelle von 100000 M Wert 30—40000 M
unter Abzug der darauf ruhenden Schulden auszuzahlen, je nach der Anzahl der Kinder;
in Segeberg für eine Stelle von 60—70 ha und 60000 M Wert 25000 M. Das Altenteil wird
auf 800—1000 M für beide Eltern, 600 M für einen Teil veranschlagt, aber als bare Rente
nur in dem kaum je vorgekommenen Fall der Uneinigkeit und des Wegzugs der Eltern
vom Hofe gefordert. Zufluchtsrechte werden den älteren Geschwistern, wenn sie ihre Ab
findung erhalten haben, nicht mehr eingeräumt, aber es gilt für eine moralische Verpflich
tung des Jüngsten den aufzunehmen, der nicht anderwärts unterkommt.