Geschichtliche Darstellung. Die altfreien bäuerlichen Eigentümer.
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baren Landbezirken zur Ansammlung bedeutender Kapitalien. Der „Kapita
lismus“ hält seinen Einzug. Verlagsindustrien und Manufakturen’) werden
begründet. Geld- und Kreditverkehr, Handel und Schiffahrt entwickeln sich
kräftiger und nehmen neue Formen an.
Im Jahre 1529 wird der erste Schiffahrtskanal auf holsteinischem Ge
biete eröffnet, der die Trave mit der Alster verbindet. 2
Wie vielfach in den Städten, so wird auf dem Lande die grundbesitzende
Aristokratie zur Trägerin des ökonomischen Fortschritts. In Schleswig-Hol
stein sind dies die Marschbauern und der Adel. Sie führen neue Wirtschafts
methoden ein und wissen die erweiterten Verkehrsbeziehungen auszunutzen.
Auf der Ostseite der Halbinsel entfaltet sich seit dem 16. Jahrhundert
der landwirtschaftliche Großbetrieb. Die damals auf den adligen Gütern
von Östholstein eingeführte Koppelwirtschaft wird im 17. Jahrhundert
auf die Domänen und Gutsbezirke von Schleswig und Alsen übertragen
Davon wird im nächsten Abschnitt genauer zu berichten sein.
Von den gleichzeitigen Umgestaltungen in der Marschwirtschaft
schreibt DANCKWERTH3) im Jahre 1652: „Das Land (Eiderstedt) ist voll von
schönen muhtigen Pferden. .. Die werden häuffig hinüber in Franckreich
geschiffet und daselbst thewr genug verkauft. ... Es hat im Lande auch
zimblich viel Schafe. ... aber doch ist der Einwohner grösseste Nahrung
von dem lieben Getreide und von dem Kühemelcken oder Käsemachen. ..
Ihre Käse werden wegen ihres guten räsen und reinlichen Geschmackes
weit und breit verführet, wie imgleichen ihr Korn, insonderheit Habern,
Gärsten, Weitzen, in grosser Quantitet auff Hamburg, Bremen und in Hollandt
jährlich ausgeschiffet wird.
Für den Anfang des 17. Jahrhunderts wird der Eiderstedter Käse
export auf jährlich 2½ Millionen Pfund 4) angegeben. Schon um die Mitte
des 16. Jahrhunderts hatten sich in der Wilstermarsch holländische Meier
niedergelassen, die „Holländereien“ anlegten. Der Wilstermarschkäse ging
die Stör hinunter nach Lübeck.5)
Die Großbauern der Westküste besaßen im 17. und 18. Jahrhundert
eigene Schiffe und vertrieben selber in Holland ihre Ochsen- und Getreide
sendungen, auch brachten sie fremde Waren heim, um sie da zu ver
handeln.*) Der Reichtum Eiderstedts war am Ende des 16. Jahrhunderts
so groß, daß die Sage ging, es wäre damals mehr Silber und Gold im Lande
gewesen als Eisen und Messing.’) Deutlicher ist die Angabe aus dem Anfang
’) Manufakturen z. B. für das Tuchgewerbe in Segeberg und Neumünster. Hausindustrie
(Spinnerei, Weberei, Strickerei, Spitzenklöppelei) breitete sich besonders bei der Schiffer
bevölkerung der Westküste aus.
2) Vgl. PAULI, lüb. Zustände II. S. 75.
*) Newe Landesbeschreibung der zwey Herzogthümer Schleswich und Holstein, Husum
1652. S. 149.
*) MEIBORG. S. 42.
5) Vgl. DETLEFFSEN, S. 377.
6) Vgl. MEIBORG, S. 179 für die Gegend nördlich von Hoyer.
7) FEDDERSEN, Eiderstedt, S. 119.