VII. Schleswig-Holstein.
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Mutmaßlich ist das Drittelrecht der Frauen aus der Befugnis des
Vaters entstanden, bis zu der entsprechenden Quote über seinen Grund
besitz zum Nachteil der wartberechtigten männlichen Erben zu verfügen.!
Es bedeutet, daß Töchter höchstens halb so viel vom Lande erhalten sollen
wie Söhne. Da aber die Töchter regelmäßig eine Aussteuer in beweglichen
Gütern heziehen, beschränkt sich tatsächlich ihr Erbteil in Land von jeher
meist auf eine kleinere Quote 2) oder fällt gänzlich aus und bildet nur eine
Bemessungsgrundlage für die Aussteuer. Dort, wo die Landgüter nach ihrer
wirtschaftlichen Beschaffenheit meist ungeteilt blieben, in den Bezirken des
Sachsenrechts, schloß man die Töchter vom liegenschaftlichen Erbe beim Vor
handensein von Söhnen aus.
Das zweite Ditmarscher Landrecht nimmt durch die Zurücksetzung der
Frauen sowohl in der Erbfolgeordnung als in der Größe des liegenschaft
lichen Erbteils eine eigentümliche Mittelstellung zwischen dem sächsischen
und dem friesisch-jütischen Rechte ein.
Das einzige der hier in Betracht kommenden Rechtsgebiete, in dem ein
Geschlechtsvorzug anscheinend nie bestanden hat, ist die Elbmarsch. Im
Land- und Marschenrecht findet sich davon keine Spur. Auch das Recht der
Bremischen Holländer von 1181 stellte Söhne und Töchter einander gleich.s
In dem Neulande hat eine sippschaftliche Organisation nie bestanden, die hol
ländischen Kolonisten hatten von vornherein keinen andern Zusammenhang
unter sich als den der Einzel-Familie, der Gemeinde, des Kirchspiels.
Das allgemeine Ergebnis ist: die alte Verfassung der Sippschaft hatte
die Tendenz, Frauen als zur Fortsetzung des Geschlechtes unfähig ebenso
vom Erbe auszuschließen wie alle durch Frauen verwandten Personen. Diese
Tendenz erhielt sich am stärksten in Ditmarschen, weil dort die Geschlechtei
die Stellung öffentlicher Körperschaften bis zur Kirchenreformation bewahrten
Im übrigen büßte der Geschlechtsverband schon im Mittelalter durch die
Ausbildung der königlichen und landesherrlichen Gewalt seine öffentlich
rechtliche Bedeutung im wesentlichen ein. Die Kognaten wurden den Ag
naten gleichgestellt — wobei freilich noch andere Einflüsse, wie die kirch
lichen Verbote der Verwandtschaftsehen, mitwirkten —, der innerlich zu
sammenhängende Verwandtschaftskreis verengte sich. Die Landgüter wurden
allmählich aus Stammsitzen der Geschlechter zu Familiengütern, die Zurück
setzung der Frauen im Erbe gewann nun die Bedeutung, den nächsten mann
lichen Nachkommen die Behauptung des Familiensitzes zu erleichtern.
zu den Außenländereien, und zum losen Gut, wenn nicht Grundstücke da sind. (FioKER,
a. a. O., § 445.)
*) Über dieses Freiteilsrecht vgl. H. BRUNNER, Beitr. zur Geschichte des german.
Wartrechts. Festg. f. H. DERNBURG. Berlin 1900. S. 39 ff.
2) Die Erklärung FICKERS (a. a. 0. § 499), die Beschränkung der Töchter auf die
Drittelsquote wäre eine Folge ihrer üblichen Ehe-Ausstattung, ist unhaltbar, da diese Aus
steuer auf die Drittelsquote angerechnet wird.
3) STOBBE, Privatrecht V. S. 381