Full text: ¬Die Vererbung des ländlichen Grundbesitzes im Königreich Preussen (2)

II. Oberlandesgerichtsbezirk Frankfurt a. M. 
nach der Übergabe ihr Leben so weiter, wie sie es vorher gewohnt waren; 
kann der Alte nicht mehr arbeiten, so setzt er sich hinter den Öfen, nament 
lich im Winter, und raucht Tabak.“ 
Nach anderen Mitteilungen pflegt 
der Bauer am Ende der 50er, anfangs der 60er Jahre, aber auch selten 
später sein Vermögen zu übergeben. Bei der überaus genügsamen, ja in 
den höher gelegenen Teilen des Gebietes dürftigen Lebensweise der länd 
lichen Bevölkerung und infolge der in frühster Jugend beginnenden 
harten Arbeit des Bauern stellt dieses Lebensalter die Grenze seiner 
vollen Arbeitsfähigkeit dar. Wenn vom Bauern neben der Landwirtschaft 
noch ein Handwerk betrieben wird, ist es eher möglich, dafs er früher 
übergiebt und den Rest seiner Arbeitskraft nur noch auf sein Handwerk 
verwendet. — 
Geht der Familienvater nach auswärts auf Erwerb, so 
bleiben für die Arbeiten in der Landwirtschaft überhaupt nur der Aus 
hälter und die Frauen übrig. „Die Kosten für den Lebensunterhalt werden 
aus dem Arbeitsverdienst bestritten, welcher durch Berg- und Fabrikarbeit 
von den arbeitskräftigen Familienmitgliedern erzielt wird, während der Aus 
hälter und die Frauen die Feldarbeit leisten müssen.“ (Amtsgericht Wetzlar.) 
4. Der regelmässige Inhalt des Vertrages ist nun folgender: 
a. Wie bei der Teilung des Nachlasses im Intestaterbwege werden 
die Parzellen in Teilzettel gebracht und entweder (was die Regel ist) aufser 
gerichtlich — durch Übereinkunft oder Los — den einzelnen Teilnehmern 
zugewiesen, oder von dem Amtsrichter bei Protokollierung des Vertrages 
ausgelost. Wer die Hofraite erhält, übernimmt mit ihr die wenigen land 
wirtschaftlichen Maschinen und Geräte, das Fuhrgeschirr, den Wagen, den 
Pflug, die Egge und ähnliches. 
b. Meist sind für die Übernahme des Hauses die individuellen Familien 
und Wirtschaftsverhältnisse der Kinder entscheidend. In der Regel wird es 
demjenigen Erben überlassen, der sich in das elterliche Haus schon ver 
heiratet und in der Wirtschaft mitgeholfen hat. Es kommt aber auch vor, 
dafs die Hofraite dem zufällt, welcher am meisten dafür an die Miterben 
herauszahlen kann; ist keines der Kinder im stande, sie zu übernehmen, 
so bleibt sie gemeinschaftliches Eigentum. Das Amtsgericht Asbach hebt 
hervor, dass hier nicht wie bei der Regulierung im Intestaterbfalle der 
Zufall (das Los), sondern die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit entscheide. 
Die Amtsgerichte Königstein, Wehen und Hochheim berichten, dass in 
der Regel der älteste Sohn Wohnhaus und Hofraite erhält. Diese Sitte 
scheint im Bezirke des Amtsgerichtes Daaden eine etwas festere Gestalt an 
genommen zu haben: „Nach der Gewohnheit der hiesigen Bewohner wird 
lediglich das Wohnhaus nebst engerem Zubehör (wie Garten, Backhaus 
anteil und zuweilen wenigen am Häuse gelegenen oder seit undenklichen 
Zeiten zum Hause gehörigen Wald-, Feld- und Wiesengrundstücken) dem 
ältesten Kinde (ob Sohn oder Tochter) zugewiesen. Gewissermalsen wird 
dem ältesten Kinde ein indessen gesetzlich keineswegs begründeter Anspruch 
darauf zugestanden . ... Nur in einem Falle seit 6 Jahren ist es vor 
gekommen, dass das älteste Kind das Wohnhaus nicht übernehmen konnte
	        
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