Die Bodenzersplitterung und ihre Bekämpfung durch die Gesetzgebung.
Versuche zur Einführung des Güterschlusses.
Die Agrargeschichte des ehemaligen Herzogtums Nassau ist ein fast
unbeschriebenes Blatt, eine Litteratur über die Verhältnisse des dortigen
Bauernstandes, über die verschiedenen Besitzrechte und Beleihungsarten
existiert nicht. Es können daher nur einige Notizen Platz finden, die in
keiner Weise den Anspruch auf Vollständigkeit erheben.
Die Entwickelung scheint nach ihren Grundzügen die gleiche gewesen
zu sein wie im Rheinland überhaupt (vgl. Heft I dieser Publikation S. 95 ff.);
d. h. die hofrechtliche Verfassung ist schon früh vollkommen erstarrt, die
Bauern verfügen mehr oder weniger frei über ihren Besitz, die Realteilung
im Erbgang ist schon im Mittelalter üblich.
ARNOLDI schreibt in seiner Geschichte der Oranien-Nassauischen Län
der’) vom 13. und 14. Jahrhundert: „Der grösste Teil der Landesbewohner
war zwar noch in der Leibeigenschaft (Hörigkeit) seines eigenen oder
eines fremden Landesherrn, oder des adeligen Güterbesitzers. Doch .....
läfst sich aus mehreren Umständen schliefsen, dass der Bauernstand in
diesem Zeitraum schon einen grossen Teil seiner Ländereien als Eigentum
besafs. Hauptsächlich gelangte er hierzu dadurch, dass ihm vom Landes
oder Grundherrn Wüsteneien und Waldungen zum Anrotten erblich hin
gegeben wurden, wogegen jener sich einen gewissen Zins, den Zehnten
oder den sehr häufig vorkommenden Waldmedum, den 6. Teil des Ertrages
der urbar gemachten Ländereien, vorbehielt.“ Von den beiden folgenden
Jahrhunderten bemerkt derselbe Verfasser 2): „Unter der Klasse der Bauern
herrschte in den einzelnen Länderteilen noch immer eine grofse Verschieden
heit. Von der ehemaligen Leibeigenschaft waren in dem Dillenburgischen
und Siegenschen kaum noch Spuren vorhanden. Zwar waren die Bauern
noch bede- und dienstpflichtig, doch persönlich frei. Jm Dietzischen,
Hadamarischen und in der Herrschaft Beilstein dagegen bestand die Leib
eigenschaft noch in ihrer vollen Ausdehnung: Die Luft machte leibeigen“.
Von den in der Einleitung erwähnten Landrechten enthalten nur die
Nassau - Katzenelnbogische Landesordnung, das Mainzer und Pfälzische
Landrecht und die Solmsische Landesordnung Rechtsbestimmungen über
bäuerliche Besitzrechte; soweit sie die Vermögensübergaben betreffen, werden
sie weiter unten mitgeteilt. Die drei erstgenannten Landrechte behandeln
die Materien nur in den Titeln über Landsiedel-Leihe und Erbzinsgut und
nur die Katxenelnbogische Landesordnung von 1616 sucht der Zersplitterung
des Grundbesitzes wenigstens bei den Erbleihegütern entgegenzuwirken:
„Wiewohl nun bis anhero gebräuchlich gewesen, dass solche Erb-Leihe
Güther weniger nicht, als andere, des verstorbenen eigenthümliche Güter
unter seine Erben, dieselben seyen gleich Kinder oder andere Anverwandte,
zu gleichen Theilen seyend getheilet worden: Jedoch aber und dieweil
’) „Geschichte der Oranien-Nassauischen Länder und ihrer Regenten“ Hadamar 1799,
Bd. 1, S. 240.
2) a. a. O. Bd. 3, Abtlg. 2, S. 15.