518
§. 480.
Das östr. Recht“72) bietet in dieser Lehre eine wunderliche Mischung
der Rechtssätze und Motive beider Rechtssysteme ohne Festhaltung eines
klaren und einheitlichen Princips, daher die Antwort auf die Frage, in
welchem Momente die Erbschaft an den Erben gelange, bei uns eine
nicht ganz zweifellose ist. Das b. G. B. unterscheidet nämlich, diesfalls
übereinstimmend mit dem röm. Recht, zwischen Anfall und Annahme,
und lässt den Anfall im Zeitpunkte des Todes des Erblassers, und
nur bei bedingter Erbeinsetzung in dem Augenblicke der Erfüllung der Be
dingung eintreten (§§. 545, 703); es hält ferner die Annahme, und zwar
eine ausdrückliche, dem Gerichte gegenüber erklärte (die sog. Erbserklä
rung §§§. 799, 800)) für gleichfalls wesentlich, indem es an die Unter
lassung dieser Erbserklärung während der Dauer einer gewissen Frist die
Wirkung knüpft, dass die Erbschaft von dem Gerichte einstweilen denjenigen
eingeantwortet wird, welche sich erbserklärt und ihre Erbrechtstitel ausge
wiesen haben (§§. 120, 128 Pat. v. 9. Aug. 1854).13) Dass an den An
fall — gleichfalls übereinstimmend mit dem röm. Recht — noch nicht der
Erwerb der Erbschaft geknüpft ist, erhellt auch aus §. 547, welcher bestimmt,
dass der Erbe erst, nachdem er die Erbschaft angenommen hat, in Rück
sicht auf dieselbe den Erblasser vorstellt, so dass beide in Beziehung auf
einen Dritten für eine Person angesehen werden — während bis dahin der
Erblasser als Besitzer der Erbschaft betrachtet werden soll. Aus diesem
Grunde geht denn auch die herrschende Lehre der österreichischen Juristen
dahin, es erfolge der Übergang der Rechte und Verbindlichkeiten des Erb
lassers an den Erben, also der Erwerb des vollen Erbrechts, im Moment
der Erbserklärung. Andererseits aber fordert das b. G. B. das Vor
handensein der Erbfähigkeit nicht in diesem, sondern in dem Momente des
Erbanfalls (§§. 545, 703), und lässt es für die Transmission der Erbschaft
an den Erbeserben genügen, dass der Erbe den Erbanfall, also den Tod
des Erblassers (und bei bedingter Erbeinsetzung die Erfüllung der Bedingung)
überlebe (§§. 53619), 537, 703) 20); es hat also auch Bestimmungen neben
den vorhin angeführten romanistischen, welche der germanischen Anschauung
von der Identität des Anfalls und des Erwerbs entsprechen. Eben darum
erscheint es zweifelhaft, ob nach östr. Recht in dem Anfalle oder in der An
nahme der Erwerb der Erbschaft liege.**) Die herrschende Meinung spricht
fallenen Erbschaft) könne nur als Folge
172) Pfaff u. Hofmann Comm. II
des bereits stattgehabten Erwerbes ver
S. 17 f., Steinlechner I S. 379 ff.
standen werden, dann muß man aller
Über das (ältere und heutige) österr. R.
dings auch für das österr. R. annehmen,
vgl. auch die Ausführungen v. Pineles
es erfolge der Erbschaftserwerb bereits
a. a. O. XIII S. 398 ff., XIV S. 101 ff.
durch den Anfall. Nur bliebe das Erb
18) Vgl. Randa Erwerb der Erbschaft
recht bis zur Abgabe der Erbserklärung
S. 24 Note*
ein bedingtes, so dass die Erbsentschlagung
19) Verb.: „noch nicht erlangte“...
nicht eine Zerstörung eines vollendeteu
20) Vgl. auch Avit.=Pat. §§. 6, 7.
Erwerbes, sondern eine Vereitelung der
21) Geht man davon aus, die Über
Bedingung desselben wäre. Man müsste
tragbarkeit der Erbschaft auf Dritte so
also allerdings auch vom Boden dieser
wohl titulo universali (Transmission)
Auffassung aus sagen: Der eigentliche
als singulari (Veräußerung einer ange¬