Indirecter Vorsatz.
herbeizuführen. Da es sich dabei nur um die Aufstellung einer Ver
muthung handelt, welche wieder entkräftet werden kann, müssen wir
wohl fragen, was das Gesetz, wenn es blos eine Thatfrage regeln
wollte, bestimmen konnte, die Vermuthung so zu beschränken, wie an
geblich im §. 1 des St.=G. I. Theils vom J. 1803 geschehen ist.
Das Gesetz würde nämlich die Annahme des dolus zunächst von
dem zufälligen Umstand abhängig machen, ob der Angeschuldigte die
vorausgesetztermaßen falsche Behauptung aufstellt, es habe ihn eine
andere Absicht geleitet, oder ob er es angemessener findet, jede böse
Absicht zu läugnen (vielleicht, indem er die That selbst in Abrede
stellt). Ist die fragliche Vermuthung aber nicht noch viel dringender,
wenn der Angeklagte selbst nicht eine andere Absicht vorzuschützen wagt?
Ferner wird hier ein wirklich erfolgtes Uebel vorausgesetzt. Was
hät aber dieser dem Angeklagten gegenüber zufällige Erfolg mit dem
Beweis des Seelenzustandes zu thun, aus welchem die That entsprang?
Die Vermuthung des bösen Vorsatzes kann sich doch wohl nicht auf
Umstände stützen, welche dem Handelnden unbekannt waren, als er
sich zu der Unternehmung bestimmte. Nicht weil er das gethan hat,
woraus ein Uebel erfolgt ist, sondern weil aus dem, was er unter
nahm, das Uebel gemeiniglich erfolgt oder leicht erfolgen kann, ver
muthen wir, daß seine Absicht sich darauf richtete.
Aus welchem Grund sollte beim Versuch eine Präsumtion aus
geschlossen werden, welche eben auf der Beschaffenheit der Unternehmung
als solchen beruht?")
Muß man nicht schon dadurch allein auf die
Annahme gebracht werden, daß es dem Gesetz um etwas ganz anderes
als um eine Beweisregel zu thun war?
4. Man nimmt wohl, um dieser letzteren Schwierigkeit zu ent
gehen, seine Zuflucht zum §. 413 des St.=G. I. Theils vom J. 1803
als der ergänzenden Gesetzes=Bestimmung. Allein gerade diese Gesetzes
stelle bestärkt uns in der Annahme, daß es im §. 1 des St.=G. über
haupt nicht um eine Beweisregel sich handelt. Ist nämlich schon an
sich auffallend, daß eine Beweisregel im materiellen Strafgesetz sich
sinden soll, *2) so wird dies noch auffallender dadurch, daß im J. 1803
malerielles Strafgesetz und Prozeßgesetz Ein Ganzes bildeten, und es
somit leicht war, jeder Verfügung ihren Platz gehörig anzuweisen, daß
Geweisregeln über denselben Gegenstand nach jener Voraussetzung ohne
Grund auseinandergerissen worden wären, während §. 443 seine Ent
stehung eben dem Bedürfniß verdankt, eine Lücke der C.=G.=O. vom
J. 1788 auszufüllen.
Wenden wir uns nun dem Inhalt des §. 413 selbst zu und
dringen ihn mit der im §. 1 angeblich begründeten Präsumtion in
Verbindung, so gelangen wir zu folgendem Resultat: Der Thäter stellt
entweder jede böse Absicht in Abrede, oder nur die zu einem gewissen
) In der That kennt Art. 44 des bairischen Strafgesetzes von 1813, der
ine analoge Präsumtion aufstellt, weder die eine noch die andere Einschränkung.
) Hye, Strafgesetz I. S. 146 ff.