Zur Entstehung der österreichischen Strafproceßordnung von 1873. 839
und gut, wenn es möglich wäre, die Staatsgewalt so zu binden und
sie so zu stellen, daß für die Erfüllung ihrer Pflichten so entschiedene
Garantien geboten würden, wie solche auf dem Gebiete des Processes
den Parteien gegenüber zu erlangen sind. Allein, das ist nicht möglich
auf dem Wege des Criminalprocesses, nicht möglich auf dem Gebiete
der Gerichtsorganisation, am allerwenigsten möglich, ohne daß die
Gerichte ihre eigentliche Natur verläugnen und zu dem werden, was
die französischen Parlamente der alten Zeit zu werden im Begriffe
waren, nämlich zu vollständigen Herren des Staates.
Gegen eine so absolut verworfene und schlechte Regierung, wie
sie uns heute vorgehalten wurde, schützen die Gerichte, schützen die
Rathskammern irgend eines Kreisgerichtes in einer entlegenen Provinz,
sicherlich nicht. Vielleicht helfen Parlamente — vielleicht auch diese
nicht. Vielleicht die Ministerverantwortlichkeit, oder auch diese nicht.
Aber wo dieses Eisen, dieses Feuer nicht hilft, da hilft auch das
Medicament der Gerichte nicht. Erwarten Sie das nicht, meine
Herren! Da tritt eben das flammende Strafgericht der Geschichte
ein; ein Criminalrichter wird das nicht zurecht richten können.
Dies ist meine Antwort auf die staatsrechtliche Deduction.
Die subsidiäre Privatanklage, wie sie der Entwurf aufstellt,
ist — das muß anerkannt werden — eigentlich eine Concession an den
Standpunkt, den Seine Excellenz vertritt, eine Milderung der voll
ständigen Schroffheit des von mir heute vertheidigten Principes und,
wie immer Concessionen, die dem Gegner geboten werden, leicht der
Gefahr ausgesetzt sind, als eine halbe Maßregel gedeutet und zur
Ziehung weiterer Consequenzen benützt zu werden, so ist es auch hier
der Fall.
Ich will wegen der vorgerückten Stunde die diesfälligen Einzel
heiten nicht discutiren; von ihrem Schicksale hängt auch das Schicksal
des Gesetzentwurfes nicht ab. Man kann den Antrag Seiner Excellenz
ablehnen und doch die subsidiäre Privatanklage beseitigen — was aber
schwerlich auch nur in seiner Intention liegen dürfte; man kann
auch den umgekehrten Weg gehen und das reine Anklagemonopol der
Staatsanwaltschaft statuiren. Aber die subsidiäre Privatanklage ist
nicht maßgebend für das Schicksal des Entwurfes. Für das Schick
sal des Entwurfes ist nur maßgebend die Wahrung des reinen An
klagegrundsatzes
Ich will daher nur noch eine Bemerkung über die subsidiäre Anklage,
wie ich mir dieselbe vorstelle, hinzufügen, und zwar eine Bemerkung,
welche nicht aus Vermuthungen, sondern aus der Praxis eines Landes
geschöpft ist, wo sie neben dem vollständig entwickelten Anklageprocesse
seit Jahrhunderten besteht, nämlich Schottland. Da ist der Anklage
grundsatz in voller Reinheit und Schärfe durchgeführt. Daneben steht
auf dem Papiere die subsidiäre Privatanklage. Auf dem Papiere sage ich
darum, weil die subsidiäre Anklage schon auf dem Papiere ihre volle
Wirkung thut. Das heißt, daß der Staatsanwalt in ihr ein sehr ent
scheidendes Motiv dagegen findet, Anzeigen leichtfertig zu verwerfen.