834 Zur Entstehung der österreichischen Strafproceßordnung von 1873.
was das tägliche Brod der Praxis ist. Ich meine, daß es nothwendig
ist, den Gerichten für das Alltagsgeschäft das Kleid bequem zurecht
zulegen, damit sie mit möglichster Raschheit, mit möglichster Sicherheit
und Klarheit ihre ganze Kraft dorthin werfen können, wo sie benöthigt
wird, — daß dies wichtiger ist, als sie zu Schutzwachen gegen staats
rechtliche Gefahren zu gestalten. Zu solchem Vorgange mahnt die
Natur der Dinge, zu solchem Vorgange mahnen in der ernstesten Weise
die Zustände des Beamtenthums, wie sie sich in ganz Europa ent
wickeln, mahnen ganz speciell unsere österreichischen Zustände. Ich
begreife vollständig, daß, wenn man einen großen Theil seines Lebens
in jenen behaglichen, ruhigen Tagen des Richterthums, des Beamten
thums zugebracht hat, in den Tagen nämlich, welche innerhalb des
Kreises der Staatsbehörden vor dem J. 1848 zu durchleben waren,
daß man gerne an sie zurückdenkt, daß man jene Zustände, die im
höchsten Grade respectabel und ehrenwerth und vollkommen geeignet
waren, ein außerordentlich befriedigendes Wirken Einzelner zu ge
statten, daß man gerne diese Zustände zum Ausgangspunkte auch der
Anschauungen für die Zukunft verwerthet.
Allein jene Zustände liegen weit hinter uns; jene Zustände sind
in vollkommen unzurückführbarer Weise vollständig überfluthet durch
die nachfolgenden Ereignisse. Jetzt handelt es sich darum, daß eine
allerdings außerordentlich ansehnliche Armee von richterlichen Beamten
einer ungeheueren Geschäftsaufgabe gegenübersteht, eine Armee, deren
Aufgaben von Jahr zu Jahr in erschreckender Weise wachsen, während
zu gleicher Zeit sich nicht verkennen läßt, daß die gegenwärtige Or
ganisation, in der Grundanlage auf die äußerst knappen Verhältnisse des
J. 1853 zurückgeführt, schon für die damaligen Geschäftsanforderungen
das Nöthige nicht geboten hat, heute aber durch die Bedürfnisse des
Tages vollständig überholt ist.
Betrachte ich nun die Ziffern, die uns entgegentreten, wenn wir
uns die Menschen vergegenwärtigen, die nothwendig sind, um die jetzt
unvermeidlichen Geschäfte zu verrichten, die Summen, welche nothwendig
sind, um diesen Männern eine nur einigermaßen annähernd ihrem er
habenen Berufe entsprechende materielle Stellung zu bereiten, so kann
ich nur sagen, wir stehen nahe am äußersten Rande dessen, was der
Staat auf diesem Gebiete zu leisten vermag.
Es mag ganz vortrefflich sein, wenn es möglich ist, auch die ge
ringste Aufgabe einem so bewährten Manne in die Hand legen zu
können, wie es der österreichische Richter ist und hoffentlich immer
bleiben wird. Allein wenn man in der Freude darüber, daß es Männer
gibt, denen man mit so voller Beruhigung Geschäfte in die Hand
legen kann, ein Geschäft nach dem anderen auf deren Schultern häuft,
dann kommt der Zeitpunkt, wo die Kräfte nicht mehr ausreichen und
wo es unbedingt nothwendig wird, eine Entlastung des Richterstandes
zu verschaffen.
Vorher aber tritt noch etwas Anderes ein, was im höchsten Grade
bedenklich ist. Die Geschäfte, die den richterlichen Beamten obliegen,