826 Zur Entstehung der österreichischen Strafproceßordnung von 1873,
wir gehört haben, wenn sie in ihrem vollen Ernste genommen wird,
dahin führen müßte, daß hieher das Hauptgewicht verlegt wird, denn
man kann auf jedem Gebiete des öffentlichen Lebens einen Mißbrauch
fürchten, aber gewiß ist, daß man da am meisten Mißbrauch zu fürchten
hat, wo er in der unverfänglichsten Form geübt werden kann. Darüber
aber kann nicht der geringste Zweifel herrschen, daß, wenn man denkt,
daß die Staatsanwaltschaft, sei es aus Nachlässigkeit, sei es, weil sie
selbst parteiischen Antrieben folgt, sei es, weil sie dazu von einer un
würdigen Regierung gedrängt wird, lässig im Verfolgen sein könne,
daß sie es absichtlich unterlasse, der Entscheidung der Gerichte Fälle
zu deferiren, die derselben hätten unterbreitet werden sollen, daß die
Staatsanwaltschaft diese ihre Sünden am ehesten, wirksamsten und in
jedem Falle am sichersten in dem Augenblicke begehen wird, wo es sich
um die Frage der Einleitung der Untersuchung handelt. Denn da
befindet sie sich gewissermaßen noch mit der Sache unter vier Augen,
In dem Maße aber, als sich die Gerichte des Gegenstandes bemächtigt
haben, als die Verhandlungen fortgeschritten, als Acten aufgelaufen
sind, die sich der Bemächtigung durch die Staatsanwaltschaft und der
Aneignung durch dieselbe entziehen, in dem Maße, als angesehene
Richtercollegien zur Kenntniß der Thatsachen kommen: in dem Maße
wird es für die einzelnen Organe der Staatsanwaltschaft, ja für die
Regierung selbst bedenklicher werden, aus unreinen und unlauteren
Motiven die Anklage zurückzuziehen. Das kann ich also mit voller
Beruhigung und mit der sicheren Hoffnung auf Zustimmung aus
sprechen, daß, wenn man einmal gegen eine Regierung, wenn man
gegen das Institut der Staatsanwaltschaft Mißtrauen hat, wenn man
voraussetzt, daß in irgend einem erwähnenswerthen Umfange absichtliche
Pflichtverletzung oder grobe Fahrlässigkeit eintreten könne — daß dann
dieses Motiv viel maßgebender wäre für die erste Frage, für die Frage
der Initiative, als für die Frage des Rücktrittes von der erhobenen
Klage. Die Frage des Rücktrittes ist nur eine Frage juristischer Conse
quenz; das Schwergewicht der staatsrechtlichen Argumente, auf die ich
später kommen werde, fällt hieher, auf die Initiative.
Fällt aber das Schwergewicht hieher, dann habe ich wohl einen
leichteren Stand, dem hohen Hause klar zu machen, warum die Re
gierung festhalten muß an dem Grundsatze, daß die Initiative des
Strafverfahrens nicht in die Hände des Richters gelegt werde.
Ich bitte das hohe Haus um Verzeihung, wenn ich dabei nach
Möglichkeit theoretische Ausführungen vermeide. Ich fürchte, zu breit
zu werden, ich fürchte zu sehr in Gewohnheiten zu verfallen, die mir
zu nahe liegen, ich fürchte zu sehr, daß ich auch einen Schriftsteller mit
reden lasse, der als solcher heute nicht vor dem Hause steht. Ich halte
mich an den vorliegenden Entwurf und namentlich an die praktische Seite
desselben. Aus welchem Grunde ist es zu der wunderbaren Erscheinung
gekommen, daß man durch mehr als dreißig Jahre bei jeder freiheit
lichen Bewegung nach dem Staatsanwalte rief? Sonst ist die Tendenz
einer jeden freiheitlichen Bewegung, die Organe der Verfolgung von