808 Zur Entstehung der österreichischen Strafproceßordnung von 1873.
eine Handlung, die nur mit Gefängniß bedroht ist, und Handlungen,
die mit Gefängniß, beziehungsweise Festungshaft nicht über fünf
Jahre, bedroht sind, sind nach dem deutschen Strafgesetze Vergehen,
Vergehen aber sind nach dem entsprechenden Artikel der preußischen
Verfassung und insbesondere nach §. 13 der preußischen Strafproceß
ordnung für die annectirten Länder lediglich und ausnahmslos den
sogenannten Strafkammern zugewiesen, d. h. Gerichten mittlerer Ord
nung, neben denen keine Geschwornen fungiren.
Auch bezüglich der anderen Länder, die der geehrte Herr Abge
ordnete angeführt hat, muß ich Einiges rectificiren.
Es ist allerdings richtig, daß die Majestätsbeleidigung in einigen
Ländern den Geschwornengerichten speciell zugewiesen ist. Wenn aber
Braunschweig angeführt wird, so ist dies unrichtig. Dort ist viel
mehr jenes Gesetz vom 21. August 1849, welches alle schweren, poli
tischen Delicte und die von Amtswegen zu verfolgenden Preßdilicte
den Geschwornengerichten zuweist, abgeändert worden durch zwei Gesetze
aus den Jahren 1855 und 1858. Die Competenz der Geschwornen
gerichte ist dort ausnahmslos beschränkt auf die mit den schwersten
Strafen, mit Todes=, Zuchthaus= oder Kettenstrafe, bedrohten Verbrechen.
Die Majestätsbeleidigung aber ist weder nach dem alten Braunschwei
gischen Strafgesetze vom J. 1840, noch nach dem jetzt geltenden
deutschen Gesetze ein Verbrechen solcher Art; es ist im deutschen
Gesetze, wie schon erwähnt, nur mit Vergehensstrafe bedroht.
Deßgleichen verhält es sich mit Baiern. Das Einführungsgesetz
zum Strafgesetze vom J. 1861 hat ausdrücklich nur die Verbrechen
den Geschwornengerichten zugewiesen, abgesehen von den Preßdelicten,
die auch dort den Geschwornengerichten zugewiesen sind. Und auch
in Baiern ist nach dem Artikel 121 des baierischen Strafgesetzes
vom J. 1861 und natürlich auch nach dem neuen deutschen Straf
gesetze die Majestätsbeleidigung nur ein Vergehen in dem früher er
örterten Sinne. Sie gehört daher, wenn sie nicht durch die Presse
begangen wurde, nicht vor die Geschwornengerichte, wobei ich nicht zu
bemerken brauche, daß die angeführten Delicte, wenn sie bei uns durch
die Presse begangen werden, selbstverständlich ebenfalls vor die Geschwor
nengerichte gehören würden; dies ist durch lit. A des Artikels VI
des Einführungsgesetzes ausdrücklich ausgesprochen worden.
Man hat ferner mit den heutigen Argumenten, mit dem heutigen
Streitpunkte die Frage der Inappellabilität in Verbindung gebracht.
Gewiß nicht ganz mit Unrecht in dem Sinne, in welchem ich ja
ganz bereit bin zuzugeben, daß nach einer gewissen Seite hin die
Rechtsprechung durch Geschworne erhöhte Garantie gewährt, und
daß diese erhöhte Garantie umsomehr wünschenswerth ist, wenn bei
Richtercollegien nicht das Surrogat der Appellabilität vorhanden ist.
Allein ich habe schon früher bemerkt, daß nichts anderes übrig bleibt,
als innerhalb des Gebietes der Strafrechtspflege die wichtigeren von
den unwichtigeren Fällen zu sondern, diejenigen Fälle, welche der er
höhten Garantie bedürfen, von denen, die sie nicht bedürfen. Diese