Full text: Kleine Schriften über Strafrecht und Strafprozeß

Zur Entstehung der österreichischen Strafproceßordnung von 1873. 
ersten Richter drückt, um ein geordnetes Verfahren zu sichern, 
Autorität, die sie zu diesem Zwecke in die Hände des obersten Gerichts 
hofes legt, Alles das wird gebrochen; dagegen werden von den drei 
zwei 
Fragen, die entstehen können: Thatfrage, Formfrage, Rechtsfrage, 
im günstigsten Falle unnöthig durch zwei Instanzen geschleppt, 
sie an den obersten Gerichtshof kommen; im minder günstigen Falle 
werden die Proceßfragen in zweiter Instanz erstickt und gelangen gar 
nicht an den Cassationshof. 
Nun, meine Herren, frage ich, ob wirklich für alles dieses das 
Berufungssystem, wie es uns vorgeschlagen wird, Ersatz zu gewähren 
vermag. 
Ich habe aber versprochen, auch der Jury noch zu gedenken, denn 
auch diese zähle ich zu den Garantien, welche die neue Strafproceß 
ordnung gewährt, und obgleich es sich hier um Fälle handelt, wo die 
Jury nicht entscheidet, bin ich doch genöthigt, sie heranzuziehen. 
Meine Herren! Die Gesetzgebung ist allerdings allmächtig, aber 
die Zukunft hat sie doch nicht in ihrer Hand. Wenn Sie Institutionen 
pflanzen wollen und wollen, daß sie sich erhalten, so müssen Sie sie 
mit weisem Vorbedacht pflanzen. 
Nun, meine Herren, kann die Jury auf zwei Arten im Straf 
processe stehen; sie kann als exotisches Gewächs dastehen, angefeindet von 
Allen, die vorübergehen, und demnächst dem Untergange preisgegeben, 
oder sie kann dastehen als organischer Bestandtheil des gesammten Pro 
cesses. Ich möchte sie als organischen Bestandtheil des ganzen Processes 
hinstellen, welcher nicht bewirkt, daß für die ihr zugewiesenen Verbrechen 
ein ganz exceptionelles Verfahren stattfinde. Die Argumente, die wir 
heute gehört haben — erlauben Sie mir, das zu sagen — werden 
von den Gegnern der Jury vielfach umgedreht. 
Der Herr Dr. v. Perger findet es ganz selbstverständlich, daß gegen 
das Urtheil der Geschwornengerichte in Bezug auf die Thatfrage eine 
Berufung nicht stattfindet; es gibt aber Männer von Gewicht — und 
auch in Oesterreich leben solche — die das als Hauptgrund gegen die 
Jury anführen. Sie sagen einfach: Man setzt uns eine Institution 
hin, die so mangelhaft ist, daß sie ihrer Natur nach — ich gebe übrigens 
auch das nicht zu — eines der wesentlichsten Schutzmittel ganz unmög 
lich macht; da haben wir ein Ausnahmsverfahren von den Geschwornen, 
da ist keine Berufung möglich. Im Nachbarsaale sitzt ein Richter 
collegium, ein Collegium erfahrener Ehrenmänner, denen Niemand den 
Verdacht der Parteilichkeit zuwerfen könnte, (sonst dürfte man sie eben 
nicht zum Urtheile zulassen und müßte einen anderen Gerichtshof 
delegiren): diese müssen es sich gefallen lassen, daß ihr Spruch von 
einem höheren Richter geprüft wird; aber was die zwölf Geschwornen 
gesagt haben, das soll heilig, das soll Evangelium sein. Von der hier 
angeführten Suspension des Schwurgerichtsspruches will ich lieber nicht 
sprechen, sie gehört in ein anderes Capitel und involvirt nicht einen 
definitiven Spruch. 
Nun, meine Herren, so dreht man eben, wie Sie sehen, die Sache
	        
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