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Zur österreichischen Strafproceßordnung von 1853.
Richters, der Alles selbst gethan, selbst geleitet hat, für Alles allein
verantwortlich ist und Niemand durch sein Versehen ein Recht entziehen
konnte. Die Entscheidung über die so zusammengebrachten Materialien
ist nicht ein Ausspruch, der zwei Parteien auseinandersetzt, nur für sie
und nur für diese Sache wahr zu sein braucht; es will in ihr die
Obrigkeit die Wahrheit constatiren, welcher sie, durch keine Partei ge
hemmt, mit allen ihren Kräften nachgeforscht hat. Da freilich kann
man sich nicht begnügen, den Schuldigen für strafbar zu erklären, oder
wenn das nicht möglich ist, ihn einfach unbestraft zu lassen; man er
wartet, daß das Urtheil nicht blos disponire, sondern auch
deklarire; man fürchtet nicht blos, daß ein Schuldiger straflos
bleiben, ein Unschuldiger gestraft werden könnte, sondern auch, daß ein
richterlicher Ausspruch, wenn gleich nur scheinbar, eine Unwahrheit
enthalten könnte.“*) So kommt die dritte Urtheilsform, die Ent
bindung von der Instanz, in den Proceß, welcher mit ihr eine
neue Gefahr für den Unschuldigen erlangt. Die Gefahr ungerechter
Verurtheilung läßt sich durch menschliche Einrichtungen, wie vollkommen
sie immer sein mögen, ohnehin nicht völlig ausschließen; dazu kommt
jetzt noch die andere Gefahr: die Ehre zu verlieren, auch wenn Leben
und Freiheit gerettet werden. Je ernster diese Gefahr ist, desto leb
hafter muß die Gesetzgebung sich aufgefordert fühlen, ihr nach Kräften
entgegenzutreten. Es kann also nicht fehlen, daß die Einführung der
Entbindung von der Instanz auf den ganzen Proceß zurückwirkt, nament
lich aber zu doppelter Vorsicht bei der Einleitung desselben ernstlich
mahnt. — Kommt es dahin, daß der Richter einen definitiven Aus
spruch über die Schuld oder Unschuld einer bestimmten Person zu
fällen hat, so wird jeder Schatten von Verdacht ihn abhalten müssen,
sie für schuldlos zu erklären: der bloße Verdacht, den auch das reinste
Leben nicht völlig abwehren, vor dem auch die ängstlichste Vorsicht uns
nicht bewahren kann, reicht dann aus, das Lebensglück eines sonst un
bescholtenen Menschen zu zerstören. Es muß also die Gefahr wenig
stens dadurch ferne gerückt werden, daß die Einleitung des Processes
nicht ganz der Willkür preisgegeben bleibt. Diese Erwägungen können
allein die Gesetzgebung vom J. 1853 bestimmt haben, eine in der
Praxis mehr und mehr bedeutungslos gewordene Eintheilung, des
älteren Inquisitionsprocesses und einen fast überall veralteten Namen
eines späteren Untersuchungsstadiums wieder hervorzusuchen. Das Vor
urtheil des Volkes hatte einst an die bloße Einleitung des inquisitori
schen Processes eine infamirende Wirkung geknüpft und dahin gedrängt,
den letzteren unter dem Namen der Specialinquisition von formlosen
Erhebungen zu sondern, die man ihm vorangehen ließ; jetzt, nachdem
der inquisitorische Proceß in seinem Widerstreben gegen jede Form
die formelle Specialinquisition längst ausgestoßen hatte, nöthigt um
gekehrt die legale Wirksamkeit der Entbindung von der Instanz dazu,
den alten Namen wieder hervorzusuchen.
*) Lienbacher Anklagegrundsatz und Anklageform, S. 11 ff.