Full text: Kleine Schriften über Strafrecht und Strafprozeß

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Zur österreichischen Strafproceßordnung von 1853. 
schwierig ist, daß dabei die höheren Gerichte nur zwischen zwei gleich 
großen Verlegenheiten zu wählen haben, daß bei dieser künstlichen 
Uebereinanderstellung eines mündlichen und eines schriftlichen Processes 
das Rechtsmittel der Berufung verkümmert, kann man einsehen, ohne 
doch daraus Folgerungen abzuleiten, welche auch dem Verfahren erster 
Instanz Gebrechen aufnöthigen würden, die es nach der Anlage des 
Gesetzes nicht tragen muß. 
Ein zweiter Hauptunterschied zwischen der österreichischen Straf 
proceßordnung vom J. 1853 und jenen anderen Gesetzen wird durch 
die Beweistheorie begründet. Auch dieser Unterschied wirkt auf die 
gegenseitige Stellung von Untersuchung und Verhandlung zurück. Jenen 
anderen Strafproceßordnungen kann es genügen, daß in den Acten 
Alles gesammelt ist, was irgendwie Einfluß auf die Entscheidung 
nehmen kann, was künftig als Beweis angesehen werden mag. Ein 
Gesetz dagegen, welches die Beweiskraft an das Vorhandensein gewisser 
äußerer Kriterien knüpft, muß natürlich auch fordern, daß die beweisenden 
Thatsachen in jener solennen Form constatirt werden, welche zur Be 
weiskraft erforderlich ist; und da zu besorgen ist, daß die Gelegenheit 
dazu nicht wiederkehren könnte, muß dergleichen Formrücksichten schon 
im Vorverfahren Rechnung getragen werden. Es müssen Acte, die 
sonst leicht der Schlußverhandlung hätten vorbehalten bleiben können, 
oft schon lange vor derselben als entbehrlich wegfallen würden, schon 
in der Untersuchung vorgenommen werden, was allerdings den Um 
fang, nur selten aber die Bedeutung der letzteren steigert. 
Von entscheidender Wichtigkeit aber für die Stellung der Special 
untersuchung ist eine andere Tendenz, welche ebenfalls der österreichischen 
Strafproceßordnung vom J. 1853 eigenthümlich ist. Nicht blos in 
der Untersuchung, sondern auch in der Schlußverhandlung gibt sie dem 
Inquisitionsprincip eine durchgreifendere Gewalt, als andere ver 
wandte Gesetze der neuesten Zeit. Seiner wahren Natur nach aufge 
faßt, äußert sich aber das Inquisitionsprincip nach zwei Richtungen: 
In Geltendmachung des Grundgedankens, daß die Verbrechen im 
offentlichen Interesse bestraft werden müssen, führt es zu einer 
vollständigen Verkehrung des im Civilproceß bestehenden Verhältnisses; 
wie dort die Parteien, auf den passiv abwartenden Richter einwirkend, 
den Gang des Processes bestimmen, wird in dem Criminalproceß, der 
der Inquisitionsmaxime unterworfen ist, der Richter das allein active 
Elememt des Processes; die Parteien treten zurück, und wenn es aufs 
Aeußerste geht, verschwindet die eine ganz, die andere wird zum Ob 
jecte der Untersuchung. Das wird dann gewöhnlich gerechtfertigt 
durch das zweite charakteristische Merkmal des inquisitorischen Pro 
cesses: das unbedingte Streben nach materieller Wahrheit im 
Gegensatz zur formellen. 
Die Consequenz ist nun diese: der Proceß, sowie er abgeschlossen 
ist, erscheint nicht als das Werk der Parteien, die sich selbst es zuzu 
schreiben haben, wenn er, schlecht geführt, zu einem nicht entsprechenden 
Ausgang gebracht wird, oder resultatlos bleibt; er ist das Werk des
	        
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