Zur österreichischen Strafproceßordnung von 1853.
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Eintheilung in die General= und Specialinquisition ganz entbehren kann
und nur eine Berücksichtigung der Vernehmung über Artikel nöthig hat.
Seitdem hat die deutsche Gesetzgebung und die deutsche Doctrin die
Namen General= und Specialinquisition möglichst vermieden.
Die Doctrin verzichtete freilich nicht darauf, Eintheilungen des Straf
verfahrens vorzuschlagen, über die viel gestritten wurde; denn an die
Stelle jener Namen traten nach Mittermaiers und Bauers Vor
schlag die Bezeichnung: Vor= und Hauptuntersuchung, und der
Voruntersuchung sollte noch ein Informationsverfahren voran
gehen, in welchem die Statthaftigkeit des Untersuchungsverfahrens über
haupt auszumitteln, das letztere vorzubereiten ist.“2) Wie man sich
dabei das Verhältniß der Hauptuntersuchung zur früheren Special
untersuchung dachte, geht am besten aus Jagemanns Bemerkung23)
hervor, daß man jetzt nicht mehr einzelne Acte aufspare, „vielmehr
Alles, was zur vorläufigen Aufklärung dient, zu erschöpfen sucht, damit
für die Hauptuntersuchung als wesentlicher Bestandtheil nur noch die
Verarbeitung des durch die Aussagen der Zeugen, so wie
der Angeschuldigten gegebenen Stoffes übrig bleibe.“ Auch die
nachtheiligen Folgen für die Ehre habe die jetzige Hauptuntersuchung
nicht mit der alten Specialuntersuchung gemein.
Alle diese Erörterungen entbehrten indeß der gemeinrechtlichen
Basis; eine Theorie wurde rasch durch eine andere verdrängt; praktische
Bedeutung erlangten solche Eintheilungen nur, wo entweder die Praxis
oder ein Gesetz die Einleitung der Hauptuntersuchung von einem förm
lichen Spruch abhängig machte und dagegen ein Rechtsmittel einräumte,
oder wo die Führung der Hauptuntersuchung einer besonderen Behörde
vorbehalten war, oder wo die gesetzlichen Folgen des Reates erst bei
förmlicher Einleitung der Hauptuntersuchung eintraten. Was diesen
Punkt betrifft, so weist indeß Bauer“) schon darauf hin, daß zwar
die jetzigen Ehrenfolgen nicht mit wirklicher Ehrlosigkeit zu verwechseln
seien, daß man aber nicht hindern könne, daß das das Volk thue, und
daß daher mit der Hauptuntersuchung sehr schädliche, theils factische,
theils rechtliche Folgen verbunden seien, „welche um so drückender
sind, da sie meist durch die nachher erfolgende Lossprechung
nicht wieder völlig gut gemacht werden können, und dieselbe
in der That einer Strafe gleichstellen lassen.“ Wenn Jage
mann 23) dagegen bemerkt, daran sei nicht die Hauptuntersuchung,
sondern die fehlerhafte Einrichtung des ganzen Verfahrens schuld, und
es sei „nur durch ein öffentliches Schlußverfahren, wozu der Ange
schuldigte förmlich in Anklagestand versetzt würde, zu helfen: so be
zeichnet er damit den Gang, den in den Händen der Gesetzgebung
die Dinge nehmen mußten und genommen haben.
*2) S. Biener a. a. O. S. 190 ff.; Bauer a. a. O. S. 180 ff.; Mitter
maier a. O. II. §. 111.
Weiskes Rechtslexikon s. v. Inquisition V. 479.
a. a. O. S. 225.
22) a. a. O. S. 479, Anm. 196.