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Zur österreichischen Strafproceßordnung von 1853.
richte „mit Vernehmung des Inculpaten über Artikel, so lange
darauf erkannt ist, anstehen. Hingegen sind in allen diesen Fällen die
Acten, ehe solche nach rechtlichem Erkenntnisse versandt werden, so
vollständig zu instruiren, daß alle zu des Inculpaten Ueberfüh
rung oder Entschuldigung gereichende Umstände hinlänglich beur
theilt werden können“ u. s. w. Auch wird der Richter zum Kosten
ersatz verurtheilt, wenn die Unvollständigkeit der Untersuchung ein In
terlocut veranlaßt.
Dieselbe Tendenz hat das preußische Gesetz
vom 17. October 1796.19
Die damals herrschende Ansicht über die Specialinquisition faßt
wohl am besten Tittmann22) zusammen, wenn er sagt, Alles, was
davon noch übrig geblieben, bestehe darin, daß „alle für die Zurech
nung merkwürdige persönliche Verhältnisse des Verbrechers, so wie alle
Umstände, welche die Veranlassung zur That und die Art der Aus
führung derselben bezeichnen, in logischer und chronologischer Ordnung,
aber in abgerissenen Sätzen (Artikel) zusammengestellt und dem An
geschuldigten zu nochmaliger Erklärung darüber fragweise vorgelegt
werden.“ Dadurch werde aber eben so wenig ein besonderes Verfahren
gegen ein bestimmtes Individuum begründet,
*) als die Be
stimmung der Strafbarkeit dadurch ausschließend bedingt sei (Eschen
bach, Quistorp, Dorn, Danz). Auch liege das Wesen der Special
inquisition weder in der Prüfung des Beweises (Kleinschrod), noch
in der Erörterung des Rechtspunktes (Siebert), weil in dieser Hin
sicht die Geschäfte sich nicht trennen lassen. Auch habe die Special
inquisition keine ihr eigenthümliche Form, wenigstens keine noch immer
übliche. „Die Untersuchung nämlich kann gleich Anfangs gegen ein
bestimmtes Subject gerichtet werden, die Verhaftung desselben kann
aller Vernehmung und der Erörterung des Thatbestandes u. s. w. vorher
gehen, die Abhörung der Zeugen, die Confrontation u. dgl. geschieht
nicht erst nach erfolgter Vernehmung über die Specialartikel, vielmehr
geht diese jener vor u. s. w. Es ist sogar so weit gekommen, daß die
Vernehmung über Artikel gar keinen wesentlichen Theil der Unter
suchung überhaupt mehr abgibt, daß die meisten Untersuchungen blos
aus der sogenannten Generalinquisition bestehen, die Vernehmung über
Artikel aber nur bei todeswürdigen Verbrechen und auch hier nur um
der mehreren Genauigkeit willen zu geschehen pflegt, so daß man die
dem in der Specialuntersuchung erfolgten Widerruf des in der summarischen Ver
nehmung abgelegten Geständnisses alle Wirkung entzog, machte auch hier die
Specialuntersuchung zu einer ganz leeren Form. Deßhalb wurde dieselbe 1829
(Mandat v. 28. September 1829) für Brandstiftungsfälle — und für alle anderen
Fälle durch ein Gesetz vom 30. März 1838, Art. V (s. Groß, Criminalgesetzbuch
II. 44) aufgehoben und durch ein Schlußverhör ersetzt.
19) Vergl. Mittermaier deutsches Strafverfahren II. 12.
20) Handbuch der Strafrechtswissenschaft (1. Aufl.) IV. 322 ff.
*) Tittmann führt nun freilich unter den Verfechtern dieser Ansicht auch
Carpzow an, der eine frühere Vernehmung des Beschuldigten bekanntlich gar
nicht zuläßt.