Full text: Kleine Schriften über Strafrecht und Strafprozeß

Non bis in idem. 
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culposer Tödtung für unzulässig erklärte? Es heißt darüber im Re 
quisitorium des Generalprocurators Merlin: „Die Jury hatte bei 
der Art, wie sie gefragt wurde, nur eine Frage zu entscheiden, ob 
Diffis des am Gendarme verübten Todtschlages schuldig sei, und sie 
hat geantwortet: er sei nicht schuldig. Wer gibt uns nun die Gewiß 
heit, daß die Jury nicht entscheiden wollte, es sei nicht Diffis gewesen, 
der den Gendarmen tödtete. Oder wenn man sich, da der Angeklagte 
die Tödtung eingestand, gegen diese Auffassung sträubt, konnte nicht 
die Jury der Ansicht gewesen sein, daß Diffis zwar absichtlich, aber 
in Nothwehr handelte? Und wäre man dann nicht in Gefahr Diffis 
vom Zuchtpolizeigericht für eine That verurtheilen zu lassen, bezüglich 
welcher entschieden ist, daß er sie nicht, oder daß er sie rechtmäßiger 
Weise ausgeführt hat"?63 
Und die Theorie, welche in dieser Entscheidung aufgestellt und 
sofort auch verläugnet ward, gilt als Theorie in Frankreich bis zum 
heutigen Tage. Vergebens weist Hélie nach, daß auch nach dem Gesetz 
vom J. IV die Fragestellung nach Modificationen der ursprünglichen 
Anklage nur zugelassen nicht unbedingt angeordnet war,“*) und daß sie 
bei der Art, wie die constante Praxis des Cassationshofes die Befug 
nisse des Präsidenten nach dem Code d’Instruction auffaßt, auch jetzt 
in ganz gleicher Art zulässig sei,") daß somit gerade in dieser Beziehung 
"3) Hélie §. 180 (III. p. 611). 
**) Es ist auffallend, daß man nicht in Betracht zog, wie gerade die Frage 
stellung, welche nach dem Ges. vom J. IV stattfand, für eine weniger unbedingte 
Anwendung des non bis in idem gesprochen hätte. Denn da die Fragen viel 
mehr zerlegt werden mußten, wäre in einem Falle, wie der von Diffis, deutlich 
zu erkennen gewesen, daß die Geschwornen nicht die Tödtung, nur die Absicht zu 
kodten verneinten, und wohl auch, ob sie Nothwehr als vorhanden annahmen. 
Gerade das neu angenommene System der einheitlichen Fragestellung hätte dahin 
führen müssen, jenen Grundsatz noch fester durchzuführen. Ohne Zweifel aber 
hatten im Anfang die Präsidenten sich wirklich nicht für berechtigt gehalten, Even 
tualfragen auf ein anderes, selbst geringeres Delict zu stellen. Vgl Legrave 
rend a. a. O. Mangin (n. 409 p. 365) sieht das „Besondere" des Falles 
Diffis darin, daß die Jury antwortete, der Angeklagte sei „nicht schuldig", und 
meint, hätte sie erklärt, der Angeklagte habe die Tödtung begangen, jedoch nicht 
absichtlich (involontairement), oder er sei schuldig der Tödtung, nicht aber sie 
absichtlich begangen zu haben: dann hätte die Staatsanwaltschaft die Sache noch 
vor das Zuchtpolizeigericht bringen können. — Interessant ist, daß das West 
phälische Strafproceßgesetz, welches sich in den hier in Betracht kommenden 
Fragen treuer an das Ges. vom J. IV hält als der Code d'Instruction der Eventual 
fragen unmittelbar nicht erwähnt (Art. 72); dagegen soll, wenn die Anklageschrift 
„mehrere Verbrechen in sich faßt“ den Geschwornen nachdem sie über die schwerste 
Anklage sich ausgesprochen haben, eine Erklärung über die zweite u. s. w. so 
fort abgefordert werden können (Art. 82); Art. 91 entspricht ganz dem Art. 360 
Code d'Instruction. 
83) Vgl. insbesondere die von Hélie angeführte Entsch. vom 16. Mai 1840. 
in welcher ausgesprochen ist: „Der Assisenhof kann auch Fragen stellen, welche die 
Anklage abweichend von der ersten formuliren, in dem Sinne, daß die neue zwar 
auf eine andere Gesetzesstelle sich bezieht, aber doch nur die Reproduction der ur 
sprünglichen, aber von einem anderen Gesichtspunkte betrachteten und einen ande 
ren strafrechtlichen Charakter tragenden That ist.“ Es handelte sich in diesem
	        
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