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Vorbereitung der Hauptverhandlung
Beeidigung *3) des Zeugen erhoben, so ist damit jede etwa vorge
fallene Unregelmäßigkeit gedeckt,**) ja selbst dem Assisenhofe unmöglich
gemacht, dieselbe zu berücksichtigen.*) Der Zeuge muß in diesem
Falle, wenn er vernommen wird, bei sonstiger Nichtigkeit beeidigt
werden.**) Erfolgt Einspruch"*) (opposition), so hat der Gerichts
hof darüber bei sonstiger Nichtigkeit zu erkennen.*s) Der Gerichts
hof hat dabei zu prüfen, ob die Mittheilung an die Partei rechtzeitig
und in solcher Weise erfolgt sei, daß ihr die Persönlichkeit des Zeugen
genügend bekannt wurde. Ist das der Fall (und gehörig nachgewiesen),
Im
so wird der Einspruch zurückgewiesen und der Zeuge beeidigt."
entgegengesetzten Falle muß dem Einspruche stattgegeben werden; allein
es kann entweder der Zeuge kraft der Gewalt des Vorsitzenden unbe
93) Rolland a. 315 n. 76. E. vom 2. April 1831, s. auch Anspach
p. 43, Anm. 7; dagegen Hélie VIII. 727. Man muß dies wohl als Regel
gelten lassen; denn sonst könnte die Partei durch Verzögerung des Widerspruches
das Recht des Präsidenten illusorisch machen, den Zeugen unbeeidet zu vernehmen.
Hélie freilich meint in einem ähnlichen Falle (VIII. 699), der Eid sei vom
Assisenhofe für nichtig zu erklären oder doch thatsächlich annullirt, und er führt
C. E. in diesem Sinne aus den Jahren 1831 und 1840 an. Allein ist dann
nicht jeder irgend denkbare thatsächliche Unterschied zwischen Zeugen und Auskunfts
personen verwischt? — Eine andere Frage aber ist es, ob die Verspätung des
Einspruches nicht durch die Umstände entschuldigt werden könne. So hat der
C. H. (am 10. Juni 1830) in einem Falle, wo eine Namensverwechslung statt
gefunden, und ein nicht in der Liste aufgeführter, aber unter dem Namen eines
darin angegebenen, aufgerufener Zeuge beeidigt worden war, es gebilligt, daß der
Gerichtshof den nach Entdeckung des Irrthums erhobenen Einspruch berücksichtigte.
(Morin V°. Témoin n. 11; Rolland a. 315 n. 77).
*) Hélie VIII. 585. Rolland a. 315 n. 62—68, a. 321. n. 8. Anspach
p. 45, und die dort mitgetheilten belgischen Entscheidungen.
*) Hélie VIII. 730.
5) Rolland a. 315 n. 68—70. Rogron a. 315 verbis: opposer
à l'audition. Von dem Falle, wo die Parteien auf die Beeidigung verzichten
ist hier nicht die Rede. Doch scheint es vorgekommen zu sein, daß man versuchte,
aus dem pouvoir discrétionnaire auch ein Recht abzuleiten, vom Eide zu dis
pensiren, d. h. den ordnungsmäßig von der Partei vorgebrachten Zeugen zur
Auskunftsperson herabzudrücken.
*) Wenn von mehreren Angeklagten auch nur einer Einspruch erhebt, muß
dies genügen; bei widersprechenden Forderungen derselben scheint man die Zu
lassung oder Zurückweisung dem Ermessen des Gerichtshofes anheimzustellen
(C. E. v. 29. December 1854; Rolland a. 315 n. 74), wohl mit Unrecht.
der opponirende Angeklagte in seinem Rechte, so kann daran der Verzicht des
anderen Angeklagten nichts ändern.
Hélie VIII. 477. C. E. vom 2. Oct. 1852. Rolland a. 315 n. 78. 79.
*) Vergl. Anm. 81—86. Die Beurtheilung der Thatmomente ist dabei der
inappellablen Entscheidung des Assisenhofes anheimgestellt; verletzt er aber bei
dieser seiner Entscheidung eine Rechtsregel, so begründet das Nichtigkeit. Carnot
a. 315 obs. VIII.: „Ist die Formwidrigkeit so beschaffen, daß nichts sie rechtfer
tigen kann, und hat dennoch der Assisenhof den Einspruch zurückgewiesen, so muß
der Cassationshof die Hauptverhandlung vernichten: denn da die Jury ihren
Wahrspruch nicht begründen kann, gäbe es keine Gewißheit, daß derselbe nicht
durch die gegen den Willen des Gesetzes erfolgte Zeugenvernehmung herbeigeführt
sei.“ Legraverend III. 181. Hélic VIII. 586, 729. Rolland a. 315
n. 87, 88.