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Versetzung in Anklagestand.
gründe und die Unzuständigkeit des erkennenden Gerichts geltend machen:
letzteres freilich nur soweit, als nicht „die ursprüngliche Unzuständigkeit
eines Gerichtes durch den die Zuständigkeit aussprechenden Beschluß
eines vorgesetzten Gerichtes“ und „die auf örtliche Begrenzung der
Gerichtsbezirke gestützte Unzuständigkeit“ dadurch beseitigt ist, daß nicht
bereits in erster Instanz ein Versuch gemacht wurde, dieselbe geltend
zu machen (§. 221 Z. 2). — Erklärt sich die Strafkammer unzuständig
und beschließt daher die Verweisung der Sache an die Anklagekammer,
so steht dagegen die Berufung offen (§. 213). Das Berufungsgericht
kann, wenn es dieses Urtheil vernichtet, sofort in der Sache selbst
erkennen (§. 219). Dagegen wird wohl aus §. 221 Z. 2 gefolgert
werden können, daß, wenn die Anklagekammer die Sache an die Straf
kammer zurückweist, diese sich nicht abermals incompetent erklären dürfe.
Die Strafkammer ist an der freien Würdigung der vor sie gebrachten
Thatsachen durch das Verweisungsurtheil nicht gehindert;"*) dagegen
ist der Schwurgerichtshof auch hier angewiesen, in die Hauptfrage an
die Geschwornen die Anklageformel des Verweisungserkenntnisses auf
zunehmen; selbst zu eventuellen Fragen berechtigt nur das Hinzutreten
oder Wegfallen von Thatumständen, nicht die abweichende Ansicht
über die Rechtsfrage (§. 194). Andererseits ist bei eventuellen Fragen
das Gericht nicht auf geringere Delicte beschränkt (Leonhardt, zu
§. 188 St. P. O. vom I. 1850).
K. Die Strafproceßordnung für Lübeck v. 26. Nov. 1862 kennt
das Geschwornengericht nicht und läßt alle Strafsachen, auf welche sie
sich bezieht, in erster Instanz vom Stadt= und Landgericht in Versamm
lungen von drei Richtern aburtheilen (§. 4). Dasselbe Gericht entscheidet
auch über die Versetzung in Anklagestand. Ist eine Voruntersuchung
geführt, so legt der Staatsanwalt seine Anträge dem Untersuchungs
richter vor, welcher dem Beschuldigten — nöthigenfalls durch Edictal
ladung — Gelegenheit gibt, seine Entgegnung vorzubringen. Die Ent
scheidung erfolgt sodann auf Grund eines Vortrages eines Mitglieds,
umfaßt alle Fragen und namentlich auch die, ob „hinreichende Anzeigen
vorliegen, oder ein genügender Entschuldigungsbeweis erbracht
sei
(§§. 161—165).
Wo keine Untersuchung nöthig ist (§. 148),
kann der Staatsanwalt die unmittelbare Vorladung des Beschuldigten
beantragen, das Gericht prüft diesen Antrag in nicht öffentlicher Sitzung
und ist berechtigt, eine Vervollständigung der Vorverhandlungen und
selbst die Einleitung der Voruntersuchung anzuordnen (§§. 167, 169).
Gegen die Erkenntnisse im Anklageverfahren steht der Staatsanwalt
schaft und dem Beschuldigten die Appellation an das Obergericht offen
(§§. 230, 240).
L. Der Hamburger Entwurf vom J. 1862, durch Präcision, Ein
fachheit und manche werthvolle Neuerung ausgezeichnet, unterscheidet
zwischen Sachen, die vor das Geschwornengericht und solchen, die vor
3') Hasenbalg, S. 123 ff.