Full text: Kleine Schriften über Strafrecht und Strafprozeß

Feuerbach. 
ohnehin in jenen Schriften offen genug zur Schau getragen wird, wenn 
man nur das im Auge behält, was in der streng juristischen Literatur 
bezeugt ist, von Männern bezeugt ist, die eben nicht anklagen, sondern 
vertheidigen wollen: so bleibt noch genug übrig, um Denen einen un 
sterblichen Namen zu sichern, welche dazu beigetragen haben, in ver 
hältnißmäßig kurzer Zeit jene Zustände so weit zurückzudrängen, daß 
man nach Ablauf von nicht mehr als einem halben Jahrhundert Mühe 
hat, zu glauben, daß sie je bestanden. 
Die Reichsgesetzgebung war in völligen Stillstand gerathen; wie 
wenig nachhaltig die Wirksamkeit der Reichsgerichtsbarkeit war, ist 
bekannt genug, und mit der Strafrechtspflege hatte sie sich überdies 
höchstens im Vorübergehen zu beschäftigen. Die alte Vorstellung, welche 
die Halsgerichtsbarkeit an den König knüpfte, so daß sie nur unter 
seinem Bann gehegt werden konnte, war nicht verläugnet aber un 
wirksam geworden, seitdem jener Königsbann dem Herrn jedes kleinsten 
Territoriums geliehen war. Das war ein altes Uebel; aber es wurde 
täglich empfindlicher. Solche kleine Territorien, die kaum einen Scharf 
richter besolden konnten, wie hätten sie ein achtbares Richtercollegium 
bestellen, wie auch nur mit Sicherheit auf einen einzigen, intelligenten, 
ehrenhaften Richter rechnen können? Wie oft ward dort ein Todes 
urtheil nicht vollzogen, weil die Kosten der Vollziehung zu uner 
schwinglich schienen; wie oft wieder aus gleichem Grund unverholen 
und wohl auch nicht ohne Erfolg der Wunsch verrathen, daß die 
Todesstrafe auf diesen oder jenen Fall eher als die Gefängnißstrafe 
anwendbar gefunden werde! In einem Land, das kein Gefängniß 
hat, ist Landesverweisung fast immer die unmittelbar nach der Todes 
strafe kommende Strafart, und wie ernsthaft die Landesverweisung bei 
den Umfang so manchen Ländchens zu nehmen war, kann man sich denken. 
Die Carolina hat sichtlich ihre Hoffnungen für Verbesserung der 
Strafrechtspflege in Deutschland auf den wachsenden Einfluß der Rechts 
gelehrten und das Institut der Actenversendung gegründet. Dieses 
letztere hatte sich auch zu der Zeit, von welcher hier die Rede ist, längst 
vollständig durchgesetzt, und mit Ausnahme der größten Territorien, 
welche eigene Obergerichte hergestellt hatten, war die Urtheilsfällung 
überall in die Hände der Juristen=Facultäten der deutschen Universi 
laten gelegt. Indeß war gegen die Art ihrer Wirksamkeit Vieles zu 
sagen. Vor Allem war sie auf den einzelnen Fall beschränkt, und bot 
also gegen durchgreifende, immer wiederkehrende Uebel nicht jene Ab 
hilfe, welche die immer gleich bleibende Aufsicht und das persönliche 
Uebergewicht eines Obergerichtes zu gewähren vermöchte. Dazu kam, 
daß dem Angeschuldigten ein Ablehnungsrecht, nicht in Bezug auf ein 
zelne Mitglieder des Spruchcollegiums, sondern in Bezug auf die 
Collegien selbst (er konnte sich herkömmlicher Weise drei verbitten) 
zustand, dem Untersuchungsgericht dagegen die freie Wahl unter den 
nicht abgelehnten. Wie hätte das Spruchcollegium mit voller Un 
parketlichkeit jene Prüfung der Untersuchungsacte vornehmen sollen, die 
man von ihm erwarten mußte, wenn das Untersuchungsgericht selbst
	        
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