Full text: Kleine Schriften über Strafrecht und Strafprozeß

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Preßrecht. 
schung über die wahre Lage der Dinge, und in Folge dessen zur 
Unterlassung anderer durch dieselbe gebotener Maßregeln. Gerade 
in Preßsachen wird dies überall da der Fall sein, wo es sich um 
einen Gegenstand handelt, dessen Bedeutung nicht an ein be 
stimmtes Land und an eine bestimmte Zeit geknüpft ist. 
Die Anwendung dieser Grundsätze auf die Preßstrafsachen ergibt 
ein in mehrfacher Beziehung brauchbares Resultat. 
Das Charakteristische der Preßdelicte besteht in der Hervorrufung 
gewisser Gesinnungen und Ueberzeugungen. Die Gefahr, welche damit 
verbunden ist, daß diese Gesinnungen oder Ueberzeugungen bei Anderen 
Eingang finden, kann nun entweder darin bestehen, daß diese Personen 
dadurch unmittelbar zu rechtswidrigen oder doch unsittlichen Handlun 
gen bestimmt werden, oder darin, daß sie von der ihnen gesetzlich einge 
räumten Freiheit einen mißliebigen (d. h. für nachtheilig erachteten) 
Gebrauch machen; es kann aber auch geschehen, daß sich die Wirkung 
der durch die Druckschrift herbeigeführten Aenderung der Ueberzeugung 
oder Gesinnung gar nicht näher bestimmen läßt, sondern daß man 
lediglich auf Muthmaßungen darüber, was in Folge dessen früher oder 
später geschehen könnte, angewiesen ist. Im ersten Falle ist das Ver 
bot gerechtfertigt; im dritten halte ich es für unzulässig; der zweite 
bedarf noch einer näheren Erörterung, weil noch die anderen oben er 
wähnten Gesichtspunkte zu berücksichtigen sind. 
Als Axiom muß vorausgesetzt werden: Der Staat kann sich in 
keiner Weise als Herrn der Ueberzeugungen und Gewissen ansehen, sich 
nicht den Beruf beimessen, über religiöse, politische, wirthschaftliche, 
überhaupt über theoretische Wahrheiten zu entscheiden, seine Unter 
thanen zur unbedingten Annahme einer solchen Entscheidung anzu 
halten. So wichtig es sein oder scheinen mag, daß gewisse Lehrsätze 
dieser Art allgemeine Anerkennung finden, so wichtig ist es auch, daß 
diese Anerkennung keine von außen erzwungene, sondern eine auf inne 
rer, aus freier Prüfung hervorgegangener Ueberzeugung beruhende sei. 
Diese Anerkennung erzwingen, heißt ihr allen Werth und alle Bedeu 
tung nehmen 
In dem unbedingten Verbot eines Angriffs auf gewisse Meinun 
gen liegt aber nicht blos eine Beschränkung der Rede=, sondern auch 
der Denkfreiheit; denn es ist damit nicht blos dem Einen unter 
sagt, einen Anderen von seiner Meinung abzubringen, sondern es ist 
dem Letzteren auch indirect geboten, bei einer bestimmten Meinung zu 
bleiben, was immer dagegen auch gesagt werden könnte. Dazu kommt 
nun noch ein anderes Moment. Gewöhnlich steht die Bedeutung eines 
theoretischen Satzes zu der aus dem Versuch, ihn zu verbreiten, erwach 
senden Gefahr im umgekehrten Verhältniß. Je allgemeiner der Satz 
ist, desto langsamer wird er, wenn überhaupt, Eingang finden, und 
desto weniger wird sich erkennen lassen, in welcher Weise und zu wel 
cher Zeit seine Annahme sich praktisch wirksam erweisen würde, desto 
geringer ist namentlich die Gefahr, daß er auf ungesetzliche Weise ver 
wirklicht werden könnte. Es sei gestattet, dies durch ein Beispiel zu
	        
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