Full text: Kleine Schriften über Strafrecht und Strafprozeß

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Entwurf eines Gesetzes über Ehrenbeleidigungen. 
Allein auch außer diesem Falle verträgt es sich nicht mit der Ge 
rechtigkeit, dem Uebelwollenden, welcher wissentlich Falsches verbreitet, 
Denjenigen gleichzustellen, der dabei im guten Glauben ist. 
Handelt es sich hiebei um eine blos zwischen einzelnen Personen 
vorgefallene Mittheilung, so kann man wohl unbedenklich volle Straf 
losigkeit eintreten lassen; es hieße dem Privatverkehr einen fast uner 
träglichen Zwang auferlegen, wenn auch hier die Forderung des Sitten 
gesetzes, vermöge welcher Niemand einem Anderen etwas Böses nach 
reden soll, ohne auf das Sorgfältigste die Gründe der Beschuldigung 
geprüft zu haben, unter die Sanction des Strafgesetzes unbedingt ge 
stellt würde. Ohnehin bleibt derjenige, welcher durch leichtfertige 
Reden einem Anderen einen materiellen Schaden zufügte, für sein Ver 
schulden civilrechtlich verantwortlich. Demjenigen dagegen, welcher eine 
Beschuldigung öffentlich erhebt, kann mit Recht die Verpflichtung auf 
erlegt werden, die sorgfältigsten und umfassendsten Vorsichtsmaßregeln 
gegen eine etwaige Selbsttäuschung zu ergreifen, ehe er es unternimmt, 
der Ehre eines Anderen eine so tiefe, vielleicht eine unheilbare Wunde 
zu schlagen. 
Der Gesetzgeber muß hier vor Allem die Lage des durch eine 
falsche Beschuldigung öffentlich Angegriffenen ins Auge fassen, und ihm 
unter jeder Bedingung zur vollen Reinigung seiner Ehre verhelfen. 
Diese ist jedoch durch nichts Anderes zu erlangen, als durch die Ver 
urtheilung des Gegners wegen falscher Beschuldigung. Ein Urtheil, 
welches den Beweis der Wahrheit zwar für nicht erbracht erklärt, allein 
dennoch den Angeklagten freispricht, weil er „gute Gründe" gehabt, 
die Beschuldigung für wahr zu halten, würde die Wunde wieder auf 
reißen, statt sie zu schließen. 
Die Gesetzgebung hat also nur zu wählen zwischen dem Urheber 
und zwischen dem Opfer einer falschen Beschuldigung, da sie den einen 
nicht freisprechen kann, ohne den Anderen wenigstens moralisch zu ver 
urtheilen. Allerdings aber wird in dem Falle, wo der Angreifer in 
gutem Glauben gehandelt, eine beträchtlich geringere, eine bloße Geld 
strafe genügen. 
Die Begriffsbestimmung der Beschimpfung (§§. 490 und 491 
ist in dem früher bezeichneten Sinne weit genug gefaßt, um jeden Fall 
einzuschließen, in welchem Jemand nach den hier allein maßgebenden 
allgemeinen Anschauungen sich als beschimpft ansehen muß; sie weist 
aber auch deutlich genug darauf hin, daß der Richter sich davor zu 
hüten habe, mit der Beschimpfung den bloßen Mangel an Höflichkeit 
oder an artigem Betragen, die Verletzung hochgespannter eitler An 
sprüche, kurz dasjenige zu verwechseln, was Jenen, dem es widerfährt, 
zwar unangenehm berühren mag, aber nicht als eine absichtliche Ver 
letzung der Persönlichkeit, als eine demonstrative Versagung jener Ach 
tung erscheint, die Niemand dem Anderen absprechen darf. 
Der Richter ist für die Beantwortung dieser Frage in objectiver 
Beziehung an das Criterium gewiesen, welches für die Frage, ob eine 
Beschimpfung vorhanden sei, allein entscheiden kann, nämlich an die
	        
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