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Kleinere Beiträge zum materiellen Strafrecht.
im Verkehr Niemand zu seinem Nachtheil getäuscht werden, Niemand
etwas verlieren kann, als der Urheber der Veränderung. In dem
vorliegenden Falle erhielten die veränderten Creditspapiere keinesfalls
den Anschein von Papieren höheren Werthes; auch wurde nicht an
ihrem Inhalt eine Veränderung vorgenommen, sondern an der Ma
terie (dem Papier), aus welcher sie bestanden. Es bleibt also nur
die Gefahr zu berücksichtigen, daß Dritte eine solche Verstümmlung
und die etwa damit verbundene Werthverminderung übersehen, die
neue dem Papier gegebene Gestalt nicht beachten und selbes noch zu
seinem vollen Werthe annehmen könnten; — daß aber zur Abwen
dung einer solchen Gefahr §. 114 die oberwähnte Erweiterung er
fuhr, darf wohl bezweifelt werden.
Anders stellt sich die Frage, wenn dasjenige ins Auge gefaßt
wird, was der Voraussetzung nach mit den abgeschnittenen Papier
fragmenten geschah. Es wurden nämlich aus ihnen neue Credit
papiere zusammengesetzt — oder sollten doch zusammengesetzt werden;
daß das so entstandene Werthzeichen kein echtes, sondern ein nachge
machtes ist, scheint wohl keinem Zweifel zu unterliegen; denn das Fa
brikat hört darum nicht auf bloße Nachahmung zu sein, weil es aus
Fragmenten echter Papiere besteht. Es ist mit ihm ein neues, die
Gestalt eines echten tragendes Werthzeichen in den Verkehr gebracht,
ein Zeichen, das man in der Regel im Verkehr annehmen wird, und
das dennoch von den betreffenden Cassen nicht eingelöst werden kann.
Die Entscheidung vom 21. November 1854 Nr. 12474 gibt
einen neuen Beweis dafür, wie wenig gedeihlich es sein, ja wie ge
fährlich es werden kann, wenn eine Entscheidung oder eine einzelne
herausgerissene Stelle der Motive rückhaltslos hingenommen, etwa in
der Art eines Gesetzes citirt wird; wenn man der Autorität des hohen
Gerichtshofes die gebührende Anerkennung am besten dann zu zollen
meint, wenn man solche Sätze blindlings weiter trägt, ohne ihnen jene
Einschränkungen oder Ergänzungen zu Theil werden zu lassen, welche
zu machen das nur den gegebenen Fall berücksichtigende Gericht selbst
keinen Anlaß hatte. Wie leicht wäre es, aus der uns hier beschäfti
genden Entscheidung zu folgern, daß nach der Ansicht des Cassations
hofes das in der Drohung selbst und das in der wirklichen Zufügung
einer Verletzung liegende Verbrechen nicht mit einander concurriren
können und daß die Drohung von dem Augenblick an criminalistisch
bedeutungslos wird, wo ein Anfang des Vollzugs derselben eintritt.
In der That hat auch sonst ein solcher Satz viel für sich. Das Ver
brechen der gefährlichen Drohung, wie es im §. 99 St. G. vorgesehen
ist, ist nicht nur dem früheren gemeinen Recht und der neueren deut
schen Gesetzgebung*2) fremd, sondern auch in unserer österreichischen
*2) Das Verbrechen des Landzwanges, wie es im Art. 125 der C. C. C. und
in den §§. 45—48 des R. A. vom J. 1555 behandelt ist, kann heute wohl über
haupt nicht mehr vorkommen, und fiele auch sonst wohl nicht unter §. 99 unseres
jetzigen Gesetzes. Die Drohung mit Verbrechen berechtigte den Bedrohten
Glaser, kleine Schriften. 2te Aufl.