234
Wuchergesetz.
§. 1. Die gesetzlichen Beschränkungen in Betreff des Maßes der bei Geld
darleihen bedungenen Zinsen und sonstigen Leistungen, sowie das Verbot, Zinsen
von Zinsen zu nehmen, werden außer Wirksamkeit gesetzt.
Die übrigen Bestimmungen des bürgerlichen Rechtes in Betreff des Dar
leihensvertrages bleiben unberührt.
§. 2. Werden Zinsen ohne Bestimmung ihres Maßes bedungen, oder gebühren
Zinsen aus dem Gesetze, so sind sechs vom Hundert auf Ein Jahr zu verstehen,
es mag ein Pfand genommen worden sein oder nicht,
Diese Bestimmung kann im Verhältnisse zu bereits erworbenen dinglichen
Rechten dritter Personen, dann in bereits anhängigen Concurs= und Ausgleichs
verhandlungen nicht geltend gemacht werden.
§. 3. Strafbar wegen Wuchers ist, wer die Nothlage, den Leichtsinn, die
Unerfahrenheit oder die Verstandesschwäche des Anleihers zu dessen empfindlichem
Nachtheile mißbraucht, um für sich oder Andere, unter was immer für einer Form
einen Vortheil zu bedingen, welcher zu dem am Orte üblichen Zinsenmaße und
zu den mit seiner Leistung etwa verbundenen Auslagen, Verlusten oder sonstigen
Opfern in auffallendem Mißverhältnisse steht.
§. 4. Des Wuchers mitschuldig machen sich auch diejenigen, welche als
Namensträger, Cedenten oder Cessionäre, Giranten oder Giratare, Verkäufer oder
Käufer oder sonst als Contrahenten bei einer dabei unterlaufenen Scheinhandlung
oder als Unterhändler wissentlich zu einem Wucher beigetragen haben
§. 5. Der Wucher wird als Vergehen mit dem Ein= bis Fünffachen des
jenigen Betrages bestraft, welchen das Gericht als das strafbare Uebermaß der
bedungenen Vortheile oder ihres Werthes erklärt
Unterhändler unterliegen einer Geldstrafe bis zum Zehnfachen des empfangenen
oder bedungenen Mäklerlohnes; Mitschuldige, welche dabei für sich selbst keinen
Vortheil erlangt oder bedungen haben, unterliegen einer Geldstrafe, welche die
Hälfte des über den Hauptschuldigen verhängten Strafbetrages nicht zu über
schreiten hat.
§. 6. Wurde der Schuldige schon einmal wegen Wuchers bestraft, so kann
gegen ihn nebst der im §. 5 bestimmten Strafe auch Arreststrafe von Einem bis
zu sechs Monaten verhängt werden; bei öfterer Wiederholung oder bei besonders
erschwerenden Umständen aber kann der Arrest in der Dauer bis zu zwei Jahren
verhängt und nach §. 253 des allgemeinen Strafgesetzbuches verschärft und auch
auf Abschaffung nach §. 249 des allgemeinen Strafgesetzbuches erkannt werden.
§. 7. Ein strafbarer Wucher ist nach den Vorschristen der Strafproceß=Ord
nung, und zwar in der Regel auf Verlangen des Bewucherten, und nur dann
von Amtswegen zu behandeln, wenn der Wucher gewerbsmäßig und zugleich in
der Art betrieben wird, daß Beträge bis höchstens hundert Gulden mit oder ohne
Pfand nur auf Tage, Wochen oder höchstens drei Monate dargeliehen werden.
In Ansehung der privatrechtlichen Folgen eines strafbaren Wuchers ist nach
§. 361 der Strafproceß=Ordnung vorzugehen.
§. 8. Insoweit dieses Gesetz nicht etwas anderes anordnet, sind bei Beur
theilung des Wuchers und bei Bemessung der Strafe die Bestimmungen des
allgemeinen Strafgesetzes, jedoch mit der Abweichung anzuwenden, daß:
a) als Verjährungszeit des Wuchers (§. 532) ein volles Jahr festgesetzt wird; daß
b) der Wucher auch dann aufhört, strafbar zu sein, wenn vollständige Erstattung
der bezogenen wucherischen Vortheile und Verzicht auf weiteren Bezug solcher
Vortheile erfolgt ist, bevor eine Behörde Kenntniß von der Bewucherung
erhalten hat, und daß
die zur Anbringung der Anklage im §. 530 den Bewucherten auf sechs
Wochen bestimmte Frist auf ein volles Jahr von dem Zeitpunkte an erweitert
ist, in welchem das strafbare Geschäft geschlossen oder zuletzt ein wucherischer
Vortheil bezogen wurde.
§. 9. Die derzeit in Wirksamkeit stehenden Wuchergesetze werden außer Kraft
gesetzt.