213
Wuchergesetze.
nicht sind, vielmehr, freilich durch einen sehr dünnen Faden, noch am
Leben gehalten werden. Während nämlich ein Darleihen sowohl in
Geld als in anderen verbrauchbaren Sachen gegeben werden kann,
spricht §. 1 des Gesetzes vom 14. December 1866, aus Gründen, die
man sich schwer vorzustellen vermag, nur von Gelddarleihen. Für
andere Darleihen, die freilich nur äußerst selten vorkommen, bleiben
also auch die für Gelddarleihen aufgehobenen gesetzlichen Beschränkungen
des Zinsenmaßes aufrecht, während das Verbot, Zinsen von Zinsen
zu nehmen, unbedingt außer Wirksamkeit gesetzt ist.
Fassen wir nunmehr den strafrechtlichen Theil des Gesetzes
ins Auge, so müssen wir anerkennen, daß wir es hier mit einer legis
lativen Erscheinung zu thun haben, die völlig vereinzelt dasteht, der es
an jedem brauchbaren Vorbilde fehlte. Die bisherigen Strafgesetze
gegen den Wucher hatten überall eine Zinstaxe vor Augen, deren
Ueberschreitung conditio sine qua non jeder Bestrafung war. Seit
langer Zeit trug man indeß Bedenken, die einfache Ueberschreitung
der Taxe als zur Bestrafung ausreichend gelten zu lassen, wie dies
das österr. Patent von 1803 thut. — So erklärt das bekannte fran
zösische Gesetz vom 3. Sept. 1807 nur die gewohnheitsmäßige
Ueberschreitung der Zinstaxe für strafbar. Andere Gesetze berücksich
tigen außerdem noch den sogenannten verkleideten Wucher (Han
nover Art. 313, Preußen §. 263). Wieder andere berücksichtigen das
Moment des Gewohnheitsmäßigen nicht, nur den verkleideten oder be
trügerischen Wucher. Das Strafgesetz für die thüringischen Staaten
sieht einzig darauf, ob der Gläubiger bei Ueberschreitung der Zins
taxen den „ihm bekannten Nothstand oder den ihm bekannten Leicht
sinn eines Andern benützt hat" (Art. 286 thür. St. G.). Nur ein
deutsches Gesetz hatte eine der unseres neuesten Wuchergesetzes analoge
Aufgabe zu lösen. In Baden ist seit 1809 die Ausbedingung auch
höherer als 6 pCt. Zinsen gestattet, doch ist eine solche Verabredung
dem Urkundenzwange unterworfen, das Zinsenübermaß ist vom Pfand
rechte ausgeschlossen, manchen anderen civilrechtlichen Nachtheilen aus
gesetzt, und der Schuldner ist hinsichtlich der Aufkündigung günstiger
gestellt, als der Gläubiger.“) Begreiflicherweise liegt hier die Ver
suchung nahe, durch Verkleidung der Zinsenstipulation die eben ange
führten gesetzlichen Bestimmungen illusorisch zu machen. Dies ist nun
der Ausgangspunkt des §. 533 des badischen Strafgesetzbuches, wel
ches lautet: „Wer bei Darleihen und anderen belasteten Vertragen
sich übermäßige Vortheile bedingt, wird in folgenden Fällen wegen
Wuchers bestraft: 1. Wenn er die ihm bekannte Noth oder den
ihm bekannten Leichtsinn des Anderen zu dessen Uebervortheilung
benützt und sich die bedungenen wucherischen Vortheile in der Ver
tragsurkunde verschleiert zusichern ließ; 2. wenn er, um den
Anderen zu täuschen, den Vertrag so einkleidete, daß derselbe dar
Goldschmidt in den Verhandlungen des sechsten deutschen Juristen
tages 1. S. 256.