Thäterschaft und Beihilfe.
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principali ed accessorii; auch er verweist den Anstifter in das Ge
biet der complicità, hinsichtlich welcher er die Zeitpunkte vor, wäh
rend und nach der That unterscheidet. Allein Carmignani bringt
das, was er „complicità“ nennt, unter den Gesichtspunkt des Ver
suches; der Hauptschuldige ist ihm derjenige, welcher den Act der
Vollendung des Verbrechens auf sich nimmt; unter der Complicität
vor der That scheint er sich nur intellectuelle Mitwirkung und erst bei
der gleichzeitigen Complicität Fälle der Gehilfenschaft zu denken; hier
nun bezeichnet er Complicität als „einen Act physischen Zusammen
wirkens mit demjenigen, welcher die Vollendung des Verbrechens auf
sich genommen hat;“ das Charakteristische der Gehilfenschaft findet er
darin, daß dieselbe eine accessorische und eine Versuchshandlung
sei. Auch die Gehilfenschaft begründet nach ihm schon eine società
reale; diese ist von der società convenzionale, welche durch eine der
That vorausgehende Verabredung begründet wird, nur darum zu unter
scheiden, weil bei letzterer der Fall eintreten kann, daß Einzelne an der
Verabredung, aber nicht an der Ausführung theilnehmen; für diejenigen
Personen dagegen, welche sich an der That im Augenblick, wo sie ver
übt wird, betheiligen, fällt jeder Anlaß zu dieser Unterscheidung weg.
Schon hieraus ergibt sich, daß mindestens für die nahe Betheiligung
auch Carmignani dieselbe Strafe, wie für die Thäterschaft in An
spruch nimmt. Gegen Beccaria polemisirend bemerkt er: „Haben die
Zusammenwirkenden einmal die Bresche eröffnet, so daß sie nur durch
einen kurzen Zwischenraum von der Vollendung des Verbrechens ge
trennt sind, dann verschwindet jeder Grund zur milderen Bestrafung
des Gehilfen und der unauflösliche Zusammenhang der verbrecherischen
Thätigkeit gestattet nicht mehr, Tarquiniuspolitik zu treiben, indem man
die hervorragenden Köpfe abschneidet und die niedrigen verschont.“
In der That sehen wir auch in neueren italienischen Gesetzen die
unmittelbare Mitwirkung bei der Ausführung vom Gebiet der Gehilfen
schaft ausgeschlossen. So das deutsche Arbeiten vielfach berücksichtigende
tostanische Strafgesetz, wo es im Art. 49 heißt: „E autore del delitto
chiunque l’ha eseguito, od ha cooperato direttamente alla
sua esecuzione . . .“ Als Gehilfen (ausiliatore) bezeichnet Art. 55
mit ausdrücklichem Vorbehalt der eben erwähnten Fälle nur den
jenigen, welcher
a) einen Anderen in seinem verbrecherischen Einfluß bestärkt, oder
b) ihm die Mittel hierzu angibt oder liefert, oder indirect die
Ausführung erleichtert; oder
c) in Folge vorausgegangenen Verbrechens nach der That Bei
stand leistet.
Nicht minder bestimmt zeigt sich dieselbe Richtung im sardinisch
ttalienischen Strafgesetz von 1859, dessen Art. 102 als Hauptschuldige
(agenti principali) neben dem Anstifter aufführt: „Diejenigen, welche
anmittelbar zur Ausführung des Verbrechens mitwirken oder in dem
Augenblick, wo es vollzogen wird, zur Vollbringung wirksamen Bei
stand leisten. („coloro che concorreranno immediatamente con