Full text: Kleine Schriften über Strafrecht und Strafprozeß

Indirecter Vorsatz. 
ausgeschlossen wird, läßt sich nicht verkennen, daß die allgemeine Dis 
position des §. 1 nicht unmittelbar zur Geltung gelangen sollte, daß 
das Gesetz in den Fällen, in denen dies geschehen soll, die Anwendung 
selbst durchführt, daß jene Stelle nichts ist, als die Generalisi 
rung dieser einzelnen Fälle. 
Warum hätte also jene allgemeine Bestimmung im Gesetz vom 
J. 1803 noch Aufnahme gefunden? 
Ein ausreichender Grund dafür liegt schon darin, daß das Gesetz 
von 
J. 1803 nicht ganz neu, sondern eine Revision des Gesetzes vom 
J. 1787 war. In diesem hatte die betreffende Regel, wie gezeigt, 
Raum, wenn gleich nicht unbedingte Geltung gefunden; sie unmittelbar 
nach dem großen Streit über den dolus indirectus hinwegzulassen, 
hatte offenbar zu dem Mißverständniß führen müssen, daß das Gesetz 
überhaupt den letzteren nirgend mehr anerkenne. 
Dazu kommt aber noch, daß der Satz als Darlegung der Motive, 
welche das Gesetz in den früher erwähnten Fällen (Todtschlag, schwere 
Beschädigung, Brandlegung) bestimmen, passend, ja selbst unentbehr 
lich blieb. 
Wurde nämlich mit besonderem Nachdruck hervorgehoben, daß ein 
Verbrechen nicht anders als mit bösem Vorsatz begangen werden könne, 
so mußte doch zu gleicher Zeit naheliegenden Mißdeutungen begegnet 
werden, welche dahin führen würden, die in jenen Fällen getroffenen 
Verfügungen entweder für inconsequent zu erklären oder durch einschrän 
kende Auslegung zur Wahrung dieser Consequenz zu schwächen. Mehr 
und mehr machte sich nämlich die Meinung geltend, daß der böse Vor 
satz nichts anderes sei, als voluntas delinquendi, daß also der Thäter 
die That nicht blos im Allgemeinen, sondern in allen jenen einzelnen 
Momenten, wodurch sie eben zu diesem Delict wird, gewollt haben 
muß. So weit geht nun das Zugeständniß, welches das Gesetz vom 
J. 1803 dem subjectiven Standpunkte machte, nicht. Die Gefahr für 
die offentliche Sicherheit, welche in der That liegt, ist demselben offen 
dar doch das Nächste und Wichtigste (Einl. §. 1). Werden daher als 
Verbrechen jene Handlungen und Unterlassungen bezeichnet, „bei welchen 
die Absicht eigens auf dasjenige gerichtet ist, was die Sicherheit im 
gemeinen Wesen verletzt;“ so wird das Gefährliche, die Verletzung der 
Sicherheit, als Merkmal der That, unabhängig von der Absicht be 
zeichnet. Es erschien somit als eine passende Fortführung dieses Ge 
dantens, wenn im §. 1 darauf aufmerksam gemacht wurde, daß böser 
Vorsatz (das Merkmal des Verbrechens) auch dann vorhanden sein 
konne, wenn in an sich schon böser Absicht eine That unternommen 
wird, aus welcher ein anderes (nicht beabsichtigtes) Uebel leicht ent 
stehen kann. Auch hier ist die Absicht des Thäters auf Verübung 
einer an sich strafbaren Handlung unter besonders gefährlichen Um 
standen, also eigens auf etwas gerichtet, das, sind nur die Umstände 
gefährlich, die Sicherheit im gemeinen Wesen verletzt. 
Aber so wie schon im §. 2 der Einleitung Alles von der Beschaffen 
heil der Umstände abhängig gemacht wird; so kann offenbar das Gesetz
	        
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