Von Testamenten.
individuellen Bedürfnissen nicht. Hier ist es Sache des Erblassers, bei
Lebzeiten vorzukehren, daß nach seinem Hinscheiden die Seinen, vor
allem sein zurückbleibender Gatte, seine Kinder und Nachkommen in mög
lichst angemessene Verhältnisse kommen, oft auch, daß sich seine Güter
tunlichst in seiner Familie erhalten, oder daß fromme und gemeinnützige
Zwecke mit den Mitteln des Nachlasses gefördert werden.
Der Staat gewährleistet den letzten Willen —
das Testament.
Damit spornt er den Sparsinn der Lebenden an, gibt ihnen Beruhigung
in ihrem letzten Augenblicke, erweist dadurch der Bevölkerung eine nicht
hoch genug anzuschlagende Wohltat. Für alle Kulturvölker gilt der
Spruch des römischen Juristen Paulus: publice expedit suprema
hominum judicia exitum habere.
Daher ist es auch besondere Pflicht der Gerichte, für die Auf
rechterhaltung der letzten Willen tunlichst Sorge zu tragen,
sie zu schützen und zu gewährleisten.
II. Für das älteste deutsche Recht bewahrheitet sich der Bericht
von Tacitus' Germania cap. 20: „nulla testamenta.“ Doch bei
reicherer Kulturentwickelung, insbesondere auch infolge des Einflusses
des Christentums trat das Bedürfnis in der deutschen Bevölkerung
hervor, Verfügungen für die Zeit nach dem Tode zu treffen. Dazu
dienten zuerst Vergabungen unter Lebenden.2 Dann kamen Testa
mente in römischer Form auf, vorzugsweise zum Vorteil der Kirche und
kirchlicher Einrichtungen.3 Ursprünglich handelte es sich dabei um Einzel
zuwendungen. Eine Verdrängung der gesetzlichen Erben durch testa
mentarische lag dem Mittelalter fern. Man nannte alle einseitigen letzt
willigen Verfügungen in der Form der fremden Rechte Testamente.
III. Die römische Bedeutung des Testaments war eine andere.
Die Römer betrachteten als Testament nur die letztwillige Einsetzung
eines Erben, des Universalsukzessors, welcher den Erblasser nach dessen
Tode repräsentierte. Konnten gleich im Testament auch andere letzt
willige Verfügungen getroffen werden, so war den Römern doch die
Erbeinsetzung das Hauptstück und die unentbehrliche Grundlage jedes
Testaments.“ Daneben hatten in Rom seit Augustus auch Kodizille
1) L. 5 D. quemadmodum test. aperiantur 29 3
Vgl. Brunner, Grundzüge 3. Aufl. S. 226 ff.
3) Die Kirche stellte letztwillige Verfügungen unter ihren Schutz und
beanspruchte die Gerichtsbarkeit über sie, Brunner a. a. O.
4) § 34 I. de legatis 2, 20. Testamenta vim ex institutione heredis ac
cipiunt.