Der Erbe und die Nachlaßgläubiger.
466
was er nach dem Erbfall erwarb.? Denn nach römischer Auffassung
vereinigte sich der Nachlaß mit dem eigenen Vermögen des Erben voll
kommen zur Einheit.
Im Laufe der Zeit erlitt die persönliche Haftung des Erben, ohne
jemals grundsätzlich aufgegeben zu werden, Milderungen.
Die früheste Einschränkung war die Sonderung (separatio) des
Nachlasses zugunsten der Erbschaftsgläubiger, damit sie sich aus ihm
vorzugsweise befriedigten. Wenn nämlich der Erbe überschuldet war,
der Erblasser aber nicht oder in geringerem Maße, und wenn durch den
Erbschaftserwerb die Vermögen des Erblassers und des Erben zu einer
Masse zusammenflossen, konnten die Nachlaßgläubiger durch die Beteili
gung der Gläubiger des Erben arg geschädigt werden. Daher erteilte
der Prätor den Nachlaßgläubigern die Separation des Nachlasses, damit
dieser zu ihrer Befriedigung zunächst ausschließlich verwendet würde.
Dann konnten sie sich aber nach der Ansicht zahlreicher römischer Juristen
an den Erben nicht mehr persönlich halten.
Auch der Erbe erhielt seit der römischen Kaiserzeit Hilfe gegen
Härten der alten unbeschränkten Haftung. Er erlangte Wiedereinsetzungs
gegen den Erbschaftserwerb wegen Irrtums im Fall unvorgesehener Über
schuldung des Nachlasses. Weiter schuf Justinian die Rechtswohltat
des Inventars, vermöge deren der Erbe, welcher innerhalb der vom
Gesetze gestellten Fristen ein gehöriges Verzeichnis der Nachlaßgegenstände
errichtet hatte, nur auf den Betrag des Nachlasses verpflichtet war. Die
Verpflichtung des sog. Inventarerben blieb zwar eine persönliche mit
seinem ganzen Vermögen; sie war aber ihrer Summe nach auf den
Betrag des Nachlasses beschränkt.
III. Die älteren deutschen Rechte wichen bezüglich der Haftung
des Erben für die Schulden des Erblassers sehr voneinander ab.“ Doch
läßt sich wohl behaupten, daß dem Geiste des deutschen Rechts eine
rein sachliche Haftung des Erben für die Nachlaßschulden mit dem
2) l. 8 pr. D. de a. vel o. her. 29, 2.
3) tit. Dig. de separationibus 42, 6; Dernburg, Pand. Bd. 3 § 170:
Oertmann in Grünhuts Ztschr. Bd. 17 S. 257, in Iherings Jahrb. Bd. 34
S. 82.
4) Vgl. Dernburg, Pand. Bd. 3 Anm. 11.
5) § 6 J. de heredum qualitate 2, 19
3) L. 22 C. de jure deliberandi 6. 30: Dernburg, Pand. Bd. 3 § 171.
7) Vgl. Stobbe, Deutsches Privatrecht Bd. 5 S. 285 III; Stobbe in
Bekkers und Muthers Jahrb. Bd. 5 S. 326; Heusler, Institutionen des Deut
schen Privatrechts Bd. 2 S. 545.