§110. Ausschluß d. Pflichtteilsanspruchs infolge letztwilliger Zuwendungen. 311
Für die Ausschlagung des Erbteils sind die allgemeinen Vorschriften
über die Ausschlagung einer Erbschaft maßgebend, insbesondere bezüglich
ihrer Fristen und Formen. Aber die Ausschlagungsfrist beginnt doch
hier erst mit dem Zeitpunkt, in welchem der Pflichtteilsberechtigte von
der Beschränkung oder der Beschwerung Kenntnis erhält.
IV. Es erheben sich bezüglich des § 2306 zahlreiche Zweifel:
1. Die Beschränkungen und Beschwerungen, bezüglich deren § 2306
anwendbar ist, sind dort richtiger Ansicht nach abschließend aufgeführt.
Es gehört dahin nach Abs. 1, daß der als Erbe berufene Pflichtteils
berechtigte durch die Einsetzung eines Nacherben, die Ernennung eines
Testamentsvollstreckers oder eine Teilungsanordnung beschränkt,
oder daß er mit einem Vermächtnis oder mit einer Auflage be
schwert ist.
Einer Beschränkung steht nach § 2306 Abs. 2 gleich, wenn der
Pflichtteilsberechtigte als Nacherbe eingesetzt ist. Dies ist be
sonders wichtig, weil Testamente häufig sind, in welchen der Erblasser
seinen überlebenden Ehegatten als Vorerben, seine pflichtteilsberechtigten
Kinder als Nacherben einsetzt.
Ist der Pflichtteilsberechtigte nur als Ersatzerbe oder sonst unter
einer Bedingung auf die Hälfte seines gesetzlichen Erbteils eingesetzt,
und schwebt seine Berufung noch zur Zeit des Erbfalls, so ist § 2306
nicht anwendbar. Da der Pflichtteilsberechtigte in diesen Fällen zur Zeit
des Erbfalls nicht als Erbe berufen ist, so erwirbt er mit dem Erbfalle
die Pflichtteilsgeldforderung. Verwirklicht sich später seine Erbberufung,
unbeschränkt und unbelastet zuwenden. Dann verbleibt es hierbei; der
Pflichtteilsberechtigte hat also eine Pflichtteilsforderung auf Geld nicht.
9) Für den Nacherben läuft die sechswöchentliche Ausschlagungsfrist
von dem Zeitpunkt an, in welchem der Nacherbe von der Einsetzung des Vor
erben Kenntnis erhält. [Hiergegen OLG Zweibrücken im Recht 08, S. 362,
wonach die Ausschlagungsfrist erst mit dem Wegfall des Vorerben beginnen
soll.] Durch § 2306 Abs. 1 Satz 2 ist deshalb von § 1944 eine Ausnahme ge
macht, damit die Verhältnisse des Vorerben gegenüber dem Nacherben mög
lichst schnell zur Feststellung gelangen, Rechtspr. d. OLG (Naumburg) Bd. 5
S. 360. Der Fristbeginn im Sinne des § 2306 setzt eine bestimmte und über
zeugende Kenntnis voraus; solche wird der Regel nach überhaupt nicht vor
Verkündigung der testamentarischen Teilungsanordnung, sondern erst durch
deren Einsicht und Kenntnis — abgesehen von dem Falle, daß der Erbe sich
absichtlich der Kenntnisnahme entzieht — erlangt werden können, RG in
Jur. Woch. 1902 Beil. 6 S. 232. Vgl. Freudenthal in D. Jur. Ztg. 1903 S. 364
über den Beginn der Ausschlagungsfrist für den pflichtteilsberechtigten Nach
erben.