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Das Pflichtteilsrecht.
In diesem Sinne bestimmt § 2309, daß entferntere Abkömmlinge
und die Eltern des Erblassers „insoweit nicht pflichtteilsberechtigt
sind, als ein Abkömmling, der sie im Falle der gesetzlichen Erbfolge
ausschließen würde, den Pflichtteil verlangen kann, oder das ihm Hinter
lassene annimmt".
Dies trifft die Entfernteren also nicht bloß in dem Falle, daß der
Nähere den Pflichtteil erhalten hat oder den Pflichtteil tatsächlich in
Anspruch nimmt, sondern auch dann, wenn er diesen nur überhaupt
verlangen kann, auch wenn er nicht daran denkt, ihn wirklich in
Anspruch zu nehmen.“ Dem Entfernteren steht ferner entgegen, daß
dem näher Berechtigten etwas an Stelle des Pflichtteils von Todes
wegen hinterlassen wurde und von ihm angenommen ist.
Wie steht es aber mit Zuwendungen unter Lebenden, welche
der nähere Berechtigte vom Erblasser erhalten hat und die nach § 2315
auf seinen Pflichtteil anzurechnen sind? Kein Zweifel, daß der Ent
ferntere auch hinsichtlich dieses Betrags vom Pflichtteil ausge
schlossen ist.? 8
VI. Der Pflichtteilsanspruch des Entfernteren ist dann, wenn der
des Näherstehenden nur teilweise erledigt ist, nur auf diesen Betrag
beseitigt. Dies sollte in § 2309 das Wort „insoweit" bedeuten."
6) Prot. Bd. 5 S. 512
7) Dieser Satz ergibt sich aus dem Grundprinzip, daß auf den
selben Stamm der Pflichtteil nur einmal zu entrichten ist. Um
den Satz zu begründen, lehrt man meist, daß der nähere Pflichtteilsberech
tigte, auch wenn sein Anspruch durch Zuwendungen unter Lebenden bereits
gedeckt ist, gleichwohl nach dem Sprachgebrauche des BGB den Pflichtteil noch
„verlangen könne“. Er könne dies nämlich „in abstracto, auch wenn
er infolge der Anrechnung der ihm zugewendeten Vorempfänge nichts mehl
zu beanspruchen habe. Vgl. Strohal 3. Aufl. Bd. 1 S.470; Planck § 2315
[Siehe Staudinger=Herzfelder
Ziff.2b. Anders Reier a. a. O. S. 28.
zu § 2315 V und das dort angeführte Beispiel: „Nachlaß 30 000 M., Zu
wendung an den verstorbenen Sohn A 10 000 M., Erbe ist Sohn B. Der
Abkömmling des A erhält als Pflichtteil 10 000 M., ist also abgefunden", wenn
jene Zuwendung anzurechnen ist.
8) Ist der näherstehende gesetzliche Erbe durch den Erblasser von der
gesetzlichen Erbfolge ohne gesetzlichen Grund ausgeschlossen, so hat er den
Pflichtteilsanspruch, § 2303. Die Entfernteren haben daher, obgleich sie durch
die Ausschließung des Vormannes von der Erbschaft die nächsten gesetz
lichen Erben wurden, kein Pflichtteilsrecht. Geschah die Ausschließung
mit gesetzlichem Grunde, §§ 2333 ff., so haben dagegen die Entfernteren das
Pflichtteilsrecht.
9) Bezüglich der Auslegung des § 2309, insbesondere des Wortes „in
soweit“, bestehen sehr verschiedene Auffassungen. Manche nehmen an, das
Wort bedeute „unter der Voraussetzung, daß“ oder „dann, wenn: Vgl. Reier
a. a. O. S. 23. Die überwiegende Auffassung jedoch ist die hier verteidigte,
wonach „insoweit“ nichts anderes bedeutet als „in Höhe“.