Das Pflichtteilsrecht.
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ausschließlich hinterließ, hat das Kind den Pflichtteilsanspruch gegen
seine als alleinige Erben von ihren Eltern eingesetzten Geschwister, welche
dieser Bevorzugung dringend bedürftig waren.
IV. Der Pflichtteilsanspruch besteht zwar grundsätzlich in einer
Geldforderung auf den Wert der Hälfte des gesetzlichen Erb
teils des Pflichtteilsberechtigten.
Die Institution des Pflichteils hat aber noch eine andere Wirkung.
überging nämlich der Erblasser einen zur Zeit des Erbfalls vorhan
denen Pflichtteilsberechtigten aus Irrtum, weil ihm dessen Vorhanden
sein bei Errichtung seiner Verfügung von Todes wegen nicht bekannt
war, oder weil ihm erst nach der Errichtung seines Testaments der
Pflichtteilsberechtigte erwuchs, so unterliegt seine Verfügung der An
fechtung, § 2079.3 Infolge Anfechtung tritt die gesetzliche Erb
berechtigung des Pflichtteilsberechtigten in ihrer ganzen Höhe ein.
V. So lange der Erblasser lebt, haben in der Regel die even
tuellen Pflichtteilsberechtigten keine Antwartschaft auf ihren künftigen
Pflichtteil.
Dennoch taucht aus der deutschen Vergangenheit im B6B auf
dem Umweg über Frankreich eine Art von Beschränkung des Erblassers
auf, welche freilich nicht dinglicher Natur ist. Dies nämlich in Ansehung
von Schenkungen des Erblassers. Denn §§ 2325 ff. gewähren den
Pflichtteilsberechtigten einen Anspruch gegen den Erben, vermöge dessen
die verschenkten Werte seinem Nachlasse zugerechnet werden; in zweiter
Linie aber auch Ansprüche gegen den Beschenkten.
VI. Die Gewährung eines Pflichtteilsanspruchs entspricht im all
gemeinen dem deutschen Volksbewußtsein. Aber dessen unbedingte Durch
führung wäre betreffs des landwirtschaftlichen Grundbesitzes bedenklich.
Sie würde häufig die Erhaltung des Grundbesitzes in der Familie des
Besitzers in Frage stellen. Müßte sie doch in wenigen Generationen zur
überschuldung oder zur Zersplitterung des Grundbesitzes oder zu dessen
Verkauf an Fremde führen. In dieser Hinsicht bilden einen Damm die
durch das EG zum BGB vorbehaltenen, aus deutschem Rechte stam
menden Bestimmungen der Landesrechte.“
3) Ähnliche Bestimmungen im römischen Recht gab 1. 3 C. de inoff.
test. 3, 28. [Bloße Mutmaßungen über das Vorhandensein eines Pflichtteils
erben werden ebenso behandelt wie Nichtkenntnis von dem Vorhandensein des
Pflichterben, RG in Jur. Woch. 07, 203; Zeitschr. f. Rechtspfl. i. Bay. 07, 235;
Seuff. Arch. 62, 326; Gruchot 51, 1008; Recht 07, 381, 773.
4) Vgl. unten §§ 114, 115.
5) Vgl. oben § 1 III.