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§ 63. Begriff des Vermächtnisses.
kasse des Ortes eine gewisse Summe gegeben hat, sog. condicionis
implendae causa datum. Derartige Anordnungen waren bei den
Römern häufig. Nach heutigem Recht sind sie zwar möglich, aber seltener
als in Rom. Selbst wenn der Erblasser eine Verfügung solcher Art als
Bedingung einer Zuwendung gesetzt hat, wird man häufig heutzutage
seinem Sinne nach annehmen müssen, daß er zugleich ein Vermächtnis
zugunsten des in der Bedingung Benannten beabsichtigte. Es ist dies
aber keineswegs stets der Fall.
4. Wer einen Vorteil aus einer Anordnung zieht, welche nicht
zu seinen Gunsten geschah, ist nicht Legatar. Weist z. B. der Erb
lasser den Erben an, die Wucherschulden seines Neffen zu bezahlen, so
ist nicht der Gläubiger, sondern nur der Neffe Legatar; nicht der
Gläubiger also kann auf Zahlung, vielmehr nur der Neffe auf Befreiung
klagen.
5. Das Vermächtnis steht im Gegensatze zur Ernennung eines Erben.
Der Erbe tritt an die Stelle des Erblassers; er hat Verpflichtungen zu
erfüllen; ihm liegt insbesondere die Befriedigung der Nachlaßgläubiger
ob. Daß er aus der Erbfolge einen Vermögensvorteil erlangt, mag
ihm erwünscht sein, steht aber in zweiter Linie. Beim Vermächtnis
nehmer handelt es sich dagegen nur um die Zuwendung eines Vermögens
vorteils. Der Vermächtnisnehmer ist daher nicht verpflichtet, die vom
Erblasser stammenden Verbindlichkeiten zu berichtigen.
Dennoch kannte das entwickelte römische Recht nicht nur Singular
vermächtnisse, sondern auch Universalfideikommisse, nämlich das
Vermächtnis der Herausgabe der Erbschaft im ganzen oder einer Quote
von ihr. Infolgedessen erhielt der Universalfideikommissar zwar zunächst
nur einen Vermächtnisanspruch auf die Herausgabe der Erbschaft; durch
diese aber rückte er in die Erbenstelle ein. Dies war eine geschichtliche
Bildung ohne innerliche Einheitlichkeit. Im heutigen Recht ist sie durch
die Nacherbschaft ersetzt, sie scheidet daher aus den Vermächtnissen aus.9.10
8) L. 11 §§ 20 ff. D. leg. III; Ihering, Die Reflexwirkungen, in seinen
Jahrbüchern Bd. 10 S.254; Brinz, Pand. Bd. 3 S. 378 Anm. 1 ff.
9) Eine Bestimmung: mein alleiniger Erbe ist mein Sohn B, doch soll
er an seine beiden Schwestern je ½ meiner Erbschaft abgeben, wird ent
weder das Vermächtnis des Reinbetrags des Drittels der Erbschaft enthalten,
also einer Geldsumme, oder eine Nacherbschaft, dann nämlich, wenn der Erb
lasser will, daß jeder der Schwestern ½ der Erbschaft nach einer gewissen Zeit
oder unter gewissen Bedingungen zukommen soll. Daß der Erblasser das „Ab
geben“ in dem Sinne wollte, daß es unverzüglich, bedingungslos erfolgen
soll, ist praktisch kaum denkbar. Wozu der Umweg, welcher mit Kosten und